Beim Klimaziel 2020 muss Berlin nachsitzen. Hausbesitzer können aber bei der Gebäudesanierung auf höhere Förderung hoffen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Um Angela Merkel und Sigmar Gabriel an ihre klimapolitischen Hoch-Zeiten zu erinnern, haben Umweltverbände zuletzt Anzeigen in Zeitungen platziert: Sie zeigen die damalige Klimakanzlerin und den seinerzeitigen Umweltminister in roten Anoraks vor einem Gletscher in Grönland. Das ist sieben Jahre her. Angela Merkel (CDU) ist nach wie vor Kanzlerin. Aber Sigmar Gabriel (SPD) hat jetzt den Hut des Wirtschaftsministers auf und ringt mit seiner Parteifreundin und Umweltministerin Barbara Hendricks darum, wie Deutschland das längst beschlossene Klimaziel 2020 erreichen kann. Bis dahin will die Republik ihre Kohlendioxidemissionen um 40 Prozent reduzieren. Weil alle bisher beschlossenen Maßnahmen nur 32 bis 33 Prozent erbringen, muss die Bundesregierung jetzt rasch zusätzliche Wege ersinnen, um das Klima im notwendigen Maß zu entlasten: Sechs bis sieben Prozent oder 70 Millionen Tonnen CO2 sind die Zielmarke.

 

Wie viel vom alten Umweltminister steckt noch in Gabriel?

Einfach wird es nicht, das zu erreichen. Deshalb fragen sich in Berlin derzeit viele, wie viel vom alten Umweltminister wohl aktuell noch in dem SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel steckt. Denn er hat heute sowohl auf die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsinteressen als auch auf die Belange der Industrie zu achten. Das alles ist nicht einfach mit dem Klimaschutz unter einen Hut zu bekommen. Nicht zuletzt der Blick auf das bisher Erreichte belegt das: Experten haben ausgerechnet, dass die Emissionen in Deutschland von 1998 bis 2013 um jährlich 0,7 Prozent gesenkt wurden. In der verbleibenden Zeit bis 2020 muss mit Reduktionspflichten von 2,5 Prozent jedes Jahr mehr als die dreifache Anstrengung geleistet werden. Der einzige Trost ist: jeder weitere Zeitverzug führt zu noch größeren Schleifspuren. Deshalb haben sowohl die Kanzlerin als auch die Umweltministerin zuletzt wissen lassen, dass sie am 40-Prozent-Ziel für 2020 nicht rütteln lassen.

Am 3. Dezember soll das Kabinett die entscheidenden Beschlüsse fassen. Am Mittwoch haben beide Fachminister wichtige Papiere dazu in die Ressortabstimmung gegeben. Hendricks legte das „Nationale Aktionsprogramm Klimaschutz“ vor. Gabriel steuerte den „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ bei. Beide weisen allerdings entscheidende Defizite auf: Erstens wird damit die Lücke zwischen dem Klimaziel und dem bisher Erreichten nicht geschlossen, sondern nur verringert. Zweitens hat die Bundesregierung die klimapolitisch wichtigste und schwierigste Entscheidung über den künftigen Kraftwerkspark zur Stromerzeugung offengelassen. Der Grund ist schnell benannt: Nicht nur die Umweltverbände, sondern auch die Fachleute sind sich einig, dass das das Klimaziel nur zu erreichen ist, wenn künftig weniger Kohlestrom produziert wird.

Die Einsparziele sind in den Papieren noch mit x markiert

Barbara Hendricks hat deshalb zuletzt erklärt, dass „es wohl nicht anders gehen wird, als dass wir auch Kohlekraftwerk-Kapazitäten abbauen“. Sigmar Gabriel hält dagegen, dass man nicht zeitgleich aus der Atomkraft und Kohle aussteigen könne, ohne rasante Strompreissteigerungen vor allem für die Wirtschaft zu provozieren. Wie beide ihre Positionen zur Deckung bringen, bleibt die spannendste Frage. In den jetzt vorgestellten Papieren sind die Einsparziele noch mit X markiert. Eine Größenordnung von 20 Millionen Tonnen CO2 wird in Regierungskreisen jedoch als plausibel angesehen.

Klar verabredet ist zwischen beiden Ministern, dass Gabriels Energieeffizienzplan bis 2020 insgesamt 25 bis 30 Millionen Tonnen Klimagase einsparen soll. Dazu sollen auch Aufstockungen zu Gunsten der energetischen Gebäudesanierung beitragen. Dabei sollen nicht nur die bisherigen KfW-Förderprogramme zur Gebäudesanierung um 200 Millionen auf 2 Milliarden Euro jährlich erhöht werden. Darüber hinaus sollen von 2015 bis 2019 jeweils eine Milliarde Euro jährlich in Form einer Steuerförderung an sanierungswillige Immobilienbesitzer fließen.

Im Verkehrssektor sollen mindestens zehn Millionen Tonnen CO2 weniger ausgestoßen werden. Erreichen will das die Bundesregierung unter anderem mit der verbrauchsabhängigen Lkw-Maut, der Förderung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen sowie der Beseitigung von Engpässen im Schienenverkehr. Auch die Reform des europäischen Emissionshandels soll einen bisher nicht bezifferten Teil zu den deutschen Reduktionszielen beitragen. Ein großes Handicap ist dabei, dass die EU-Kommission die Reform erst in einigen Jahren anpacken will.