Bernd Sieber, Geschäftsführer des Klinikums Esslingen, zieht eine Bilanz seiner Arbeit am Neckar – und blickt in die Zukunft.
Esslingen - Elf Jahre lang hat Bernd Sieber das Klinikum Esslingen geleitet – und es mit seiner ausgeglichenen und ruhigen Art auch durch stürmische Zeiten geführt. Die vom Bundeskartellamt untersagte Fusion mit den Kreiskliniken gehört sicher zu den Ereignissen, an die Sieber nicht gerne zurückdenkt. Nun wechselt Sieber als Geschäftsführer zum Gesundheitsverbund Kreis Konstanz.
Herr Sieber, was hat Sie an der neuen Aufgabe gereizt? Es wird ja nicht nur der Bodensee gewesen sein.
Gereizt hat mich vor allem die gestalterische Aufgabe, in einem Landkreis und darüber hinaus die Gesundheitsversorgung mitgestalten zu können. Das ist etwas, was uns hier in Esslingen im Jahr 2014 vom Bundeskartellamt verwehrt wurde.
Wie fällt Ihre persönliche Bilanz der Zeit in Esslingen aus?
Ausgesprochen positiv. Ich bin damals sehr freundlich und offen aufgenommen worden. Ich hatte das Gefühl, man möchte gerne mit mir zusammenarbeiten und habe in der gesamten Zeit, ob im Aufsichtsrat oder bei den Mitarbeitern, eine wirklich offene Stimmung gespürt. So war es möglich, viel zu bewegen. Ich habe den Eindruck, dass sich das über die Jahre hinweg zudem verstärkt hat. Es hat mir richtig Spaß gemacht in Esslingen.
Wie hat sich denn das Gesundheitswesen in den vergangenen elf Jahren verändert?
Da verändert sich gerade unheimlich viel. Die Krankenhäuser werden nicht gerade gut von der Gesundheitspolitik behandelt. Aktuell sind es die „Pflegestärkungsbemühungen“, die für die Krankenhäuser statt zu Verbesserungen zu deutlichen Belastungen führen. Niemand bestreitet, dass mehr Pflegekräfte mehr Qualität bedeuten. Aber die Krankenhäuser werden gezwungen, Betten zu schließen und das Angebot zu verknappen. Das ist für Patienten und Mitarbeiter keine Verbesserung und wird zudem für viele kleinere Krankenhäuser zur Existenzfrage werden.
Wie sieht es denn in Esslingen aus?
Hier in Esslingen haben wir natürlich die gleichen Rahmenbedingungen. Dennoch ist es mir als Geschäftsführer gemeinsam mit der Krankenhausleitung gelungen, die Stärken des Klinikums weiter herauszuarbeiten. Zudem haben wir das Angebot insgesamt ausbauen können.
Wo liegen denn aus Ihrer Sicht die medizinischen Stärken des Klinikums Esslingen?
Da ist zum einen natürlich der onkologische Bereich. Hier waren wir schon vor elf Jahren hervorragend aufgestellt und konnten uns weiterentwickeln - dieses Jahr haben wir unser Cancer-Center Esslingen etabliert und gehören zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerks für Integrative Medizin Baden-Württemberg. Auch im Bereich der Kardiologie haben wir uns auf dem ohnehin hohen Niveau nochmals weiterentwickeln können. Zudem haben wir das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin 2015 mit der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie komplettieren können. Doch auch in der Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Gefäß- und Thoraxchirurgie und in der Neurologie geht unser Leistungsspektrum und das angebotene Versorgungsniveau weit über das übliche Maß eines Hauses unserer Größe hinaus. Viele dieser Weiterentwicklungen gelangen mit maßgeblicher Unterstützung unserer beiden Fördervereine Proklinikum und Herzklopfen.
Was war Ihr größter persönlicher Erfolg?
Es ist gelungen, das Klinikum in seiner Struktur strategisch weiterzuentwickeln. Auch die Tatsache, dass die Kommunikation im Haus zwischen den Disziplinen gut funktioniert, ist mir sehr wichtig. Von Bedeutung war für mich dabei insbesondere Transparenz. Die Mitarbeiter sollten wissen, in welche Richtung die Reise geht, ob die Zahlen gut oder schlecht sind und ob etwas realisierbar ist oder nicht.
Welches nicht verwirklichte Projekt tut denn am meisten weh?
Dass die Fusion mit den Kreiskliniken vom Bundeskartellamt untersagt wurde, hat mich nachhaltig geprägt. Ich halte es nach wie vor für die falscheste Entscheidung, die man treffen konnte, denn für die Gesundheitsversorgung im Landkreis Esslingen wäre dieser Schritt inhaltlich und auch wirtschaftlich sinnvoll gewesen. Es war ein historisches Zeitfenster, das damals aufgegangen war, in der man tatsächlich beide Gesellschaften hätte zusammenführen können. So weit waren wir noch nie – und ich vermute mal: So schnell werden wir auch nicht mehr so weit sein.
Die Gesundheitspolitik ist für den Laien oft nur schwer zu verstehen. Geht es Ihnen genau so?
Uneingeschränkt ja! Oft - und so ist es auch dieses Mal -wissen wir zum Jahresende noch nicht, welche Auswirkungen die Gesetzgebung im neuen Jahr in einzelnen Bereichen eines Klinikums entfaltet. Wenn man bedenkt, dass der aktuelle Gesundheitsminister 18 Gesetze in 18 Monaten gemacht hat, fällt das Verfolgen der Auswirkungen nicht nur der Bevölkerung, sondern auch den Fachleuten schwer.
Was war denn der größte Brocken, der Ihnen in den elf Jahren aus Berlin zwischen die Beine geworfen worden ist?
Das ist ein ganzes Gebirge, das uns da vorgesetzt worden ist und jedes Jahr kommen noch ein paar Brocken mehr dazu. Der Lieblingsbegriff scheint da das Wort „Strafzahlungen“ zu werden. Damit wird ein grundsätzliches Klima des Misstrauens der Politik gegenüber Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten signalisiert. Das finde ich bedenklich.
Was muss ein Krankenhaus heute tun, um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein?
Personal, Personal, Personal. Das ist der größte Engpassfaktor, den die Branche derzeit hat und der dazu führt, dass die Versorgung der Gesellschaft an mancher Stelle mittlerweile leidet. Damit hat sich auch die Aufgabe der Geschäftsführer von Krankenhäusern gewandelt: vom Kosten- und Prozessoptimierer zum Ressourcenmanager.
Wo sehen Sie das Esslinger Haus in zehn Jahren?
Weiterhin so gut aufgestellt wie es jetzt da steht, auch wenn es Veränderungen geben wird. In den nächsten fünf Jahren stehen aus Altersgründen einige Chefarzt-Neubesetzungen an. Ich bin zuversichtlich, dass das Haus aufgrund seiner Attraktivität auch in Zukunft ausgezeichnete Chefärzte gewinnen wird. Ich sehe das Klinikum nach wie vor qualitativ auf einem ausgesprochen hohen Niveau.