Klischees in Hollywoodfilmen sind meistens sehr ärgerlich für den Zuschauer. Und auch deutsche Fernsehfilme haben oft nur recht wenig mit der Wirklichkeit zu tun.

Stuttgart - Jeder Film ist eine Lüge. Was man als Zuschauer für flüssige Bewegungen hält, besteht tatsächlich aus 24 Einzelbildern pro Sekunde. Aber auch inhaltlich haben Filme nicht viel mit der Realität zu tun, und das keineswegs bloß, weil die Geschichten in der Regel erfunden sind. Vieles wird übertrieben, weil es dann auf der Leinwand oder auf dem TV-Monitor wirkungsvoller ist. Der Rest sind Klischees, die im Grunde jeder Zuschauer durchschaut, an die man sich aber im Lauf der Zeit so gewöhnt hat, dass sie kaum noch hinterfragt werden. In seinem amüsanten Buch „Der Böse steht noch einmal auf“ hat Christian Georg Salis eine Vielzahl dieser Klischees zusammengetragen. Der Titel bezieht sich auf Filme mit Monstern, Superschurken oder Serienmördern, die meist erst dann Ruhe geben, wenn sie regelrecht ausgelöscht worden sind.

 

Salis beschränkt sich auf Hollywood-Produktionen, aber das Fernsehen arbeitet natürlich ganz ähnlich. Die romantischen Heimatdramen von ARD und ZDF zum Beispiel wären ein dankbarer Untersuchungsgegenstand. In vielen dieser Filme kehrt eine Großstädterin zu ihren Wurzeln in der Provinz zurück. Ihr Zimmer im Elternhaus sieht stets noch genauso aus wie in ihren Teenagerjahren. Meist läuft sie ihrer ledigen Jugendliebe über den Weg, und prompt erwachen die alten Gefühle. Vor dem Happy End müssen die beiden aber erst mal dem Bösewicht das Handwerk legen. Dabei handelt es sich regelmäßig um den Bürgermeister, der der Heldin ihren Bauernhof abspenstig machen will, um dort ein Luxushotel oder einen Golfplatz zu errichten.

Frauen, denen schlecht wird, sind immer schwanger

Auch die Regisseure bedienen sich gern diverser Klischees. Selbst in entlegensten Gegenden brennt nachts irgendwo ein Licht, weil man ja andernfalls etwa im Wald nichts sehen würde. Schaltet jemand ein Flutlicht oder die Beleuchtung in einer großen Halle an, macht das immer einen Höllenlärm. Wenn das Festnetztelefon klingelt, schauen die Menschen erst mal hin, bevor sie rangehen. Klingelt es dagegen an der Haus- oder Wohnungstür, fragen sie „Erwartest Du jemanden?“ In Dramen ist eine sich sacht im Wind bewegende leere Schaukel stets ein Zeichen dafür, dass ein Kind gestorben ist. Frauen, denen schlecht wird, sind immer schwanger. Apropos Sex: das Fernsehen wird immer schamhafter; Leidenschaft findet kaum noch komplett nackt statt. Schlafen Frauen alleine ein, pflegen sie unterm Nachthemd einen BH zu tragen. Das Make-up ist am nächsten Morgen selbstverständlich immer noch perfekt.

Äußerst ergiebige Fundgruben sind auch die TV-Krimis. Dass die Polizeiarbeit im „Tatort“ nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun hat, liegt auf der Hand, denn echte Kommissare verbringen einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie. Trotzdem bemühen sich die Filmemacher um einen gewissen Realismus, was sie allerdings nicht davon abhält, immer wieder blühenden Blödsinn zu produzieren. Besonders beliebt ist die Erstürmung einer Wohnung durch ein Sondereinsatzkommando (SEK), in dessen Mitte sich die allenfalls durch eine schusssichere Weste geschützten Kommissare tummeln. Das ist natürlich Unfug, schließlich werden die gepanzerten Spezialisten ja eigens angefordert, damit sich die Ermittler nicht unnötig in Gefahr begeben müssen. Werden sie dennoch getroffen, knöpfen sie anschließend ihr Hemd auf und zeigen die Kugel, die in der Weste steckt. Bei Schießereien auf offener Straße bringen sie sich gern hinter ihrem Auto in Sicherheit. Dabei weiß jeder, der schon mal einen Blechschaden hatte, dass man sich genauso hinter einer Zeitung verstecken könnten. Andererseits sind Polizisten in der Lage, Türen in Nullkommanichts mit einer Kreditkarte oder einem Dietrich zu öffnen. Oft werfen sie sich einfach mit der Schulter dagegen, was im wahren Leben äußerst schmerzhaft wäre. Zu den typischen Krimiklischees gehört auch der Besuch in der Rechtsmedizin, ebenso hartnäckig wie falsch oft Pathologie genannt, wo sich überwiegend schräge Vögel tummeln. Die Herren Gerichtsmediziner sind schrullig, pflegen einen makabren Humor und flirten gern mit den Kommissarinnen.

Autos auf der Flucht

Action-Szenen strotzen ohnehin vor Klischees, von denen viele falsch sind; so ist es zum Beispiel ausgesprochen schwierig, aus einem fahrenden Auto heraus ein bewegliches Ziel zu treffen und etwa bei einem anderen Auto in den Reifen zu schießen. Ist jemand in der Stadt im Auto auf der Flucht, fährt er unter Garantie in einen Stapel aus Kisten oder Kartons oder rast auf einem Marktplatz in einen Gemüsestand. In einer Serie wie „Alarm für Cobra 11“ gelten die Gesetze des Alltags erst recht nicht mehr, schließlich erwarten die Fans der Autobahnabenteuer, dass die Produzenten es krachen lassen. Die meisten Effekthaschereien sind harmlos. Eine typische Filmlüge hat jedoch Konsequenzen, die auch schon Menschenleben gekostet hat: der Mythos des explodierenden Autotanks.

In vielen Fernsehfilmen geht ein Auto zwar nicht mehr in Flammen auf, wenn es einen Abhang hinunterstürzt, aber das hat womöglich eher mit ökologischen Auflagen zu tun. Trotzdem gibt es die fetten Feuerbälle immer noch, was zur Folge hat, dass nicht betroffene Autofahrer bei schweren Verkehrsunfällen den Opfern keine Hilfe leisten: weil sie Angst haben, dass das Unfallfahrzeug in die Luft geht. Dabei kann der Treibstofftank eines Fahrzeugs gar nicht explodieren, wie ein Sachverständiger versichert: „Die im Tank befindlichen Treibstoffdämpfe sättigen die Luft im Tank derart, dass ein sehr fettes Gemisch entsteht. Hier kann aus Sauerstoffmangel keine Zündung entstehen.“ Ein Tank könne zwar aufplatzen, so dass sich der austretende Treibstoff an heißen Fahrzeugteilen wie Motor oder Auspuff schlagartig entzünden könne, „aber auch das führt keineswegs zu einer Explosion.“ Im Film wird der Flammenball durch Flüssiggas herbeigeführt, das im entscheidenden Moment gezündet wird. Flugzeuge und Hubschrauber explodieren beim Absturz allerdings grundsätzlich hinter Hügelketten, alles andere wäre schlicht zu teuer.