Das Ordnungsamt schreibt um 6.18 Uhr Strafzettel. Ladezeit ist ab 7 Uhr.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Denis Deschner wohnt im Herzen der Altstadt, in der Hinteren Straße. Für sein Auto hat er einen Stellplatz in der Tiefgarage. „Doch gelegentlich hat man ja mal schwere Dinge, die man in sein Auto laden muss, Sprudelkästen oder Ähnliches“, sagt der Anwohner.

 

Doch als er neulich frühmorgens vor der Arbeit seinen Wagen in der Hinteren Straße abgestellt hatte, um ein paar schwere Sachen aus der Wohnung zu holen, erlebte er eine unangenehme Überraschung. „Als ich nach ein paar Minuten zurückkam, hatte ich einen Strafzettel an der Scheibe“, schildert Deschner unserer Zeitung.

Beim Leonberger Ordnungsamt bat er um Verständnis. „Ich stand tatsächlich nur ein paar Minuten dort und habe keine anderen Autos behindert“, schrieb Denis Deschner der Kontrollbehörde.

„Besonders schützenswert“

Doch das beeindruckte die Beamten im Alten Rathaus nicht. Sei doch die Hintere Straße als „Fußgängerbereich, in dem zahlreiche Bürger mit Ruhebedürfnis wohnen, besonders schützenswert“.

Lediglich den dort ansässigen Gewerbetreibenden sei das Be- und Entladen werktags von 7 bis 18 Uhr gestattet, um „den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten“.

Privatpersonen hätten dieses Recht allerdings nicht, teilte die städtische Bußgeldstelle Deschner schriftlich mit. Und legte ihm nahe zu zahlen, weil er sonst mit weiteren Kosten rechne müsse.

Auf Nachfrage unserer Zeitung modifiziert die stellvertretende Stadt-Sprecherin Karin Kießling-Emhardt die Aussagen des Ordnungsamtes in einem entscheidenden Punkt: „Selbstverständlich können grundsätzlich auch Anwohner privat schwere Güter mit dem Auto zur Wohnung bringen und diese dort – unverzüglich – entladen. Hier werden sie dem gewerblichen Lieferverkehr gleichgestellt“, erklärt die Verwaltungssprecherin. „Lediglich bei Umzügen und Ähnlichem ist dafür eine eigene Genehmigung der Verkehrsbehörde notwendig.“

Denis Deschner muss die 30 Euro trotzdem bezahlen, denn: „Der zuständige Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdienstes konnte in diesem Fall keine Ladetätigkeit erkennen“, erklärt die Rathaus-Sprecherin Kießling-Emhardt. „Es handelte sich um kein typischerweise für Ladetätigkeiten verwendetes Auto, und es wurde der Bußgeldstelle auch kein anders lautender Nachweis zum Beweis über stattgefundene Ladetätigkeiten vorgelegt.“

„Absolute Abzocke“

Dass der Bußgeldbescheid nicht zurückgenommen wird, hat für das Ordnungsamt noch einen weiteren, „entscheidenden“ Grund: „Ladetätigkeiten dürfen wegen des Ruhebedürfnisses der Anwohner nicht vor 7 Uhr getätigt werden. Herr Deschner parkte dort aber bereits um 6.18 Uhr.“

Hätte er sein Auto später beladen, wäre ihm die 30-Euro-Knolle womöglich erspart geblieben. „Da halten tagsüber ständig Leute, die ins Café Trölsch gehen“, schildert Deschner seine Beobachtungen. „Und da passiert nie etwas. Ich bin schockiert, dass ich als Anwohner anscheinend mein Auto vor meinem eigenen Haus nicht beladen darf, aber gegen den regen Durchgangsverkehr in der Hinteren Straße nichts getan wird. Das klingt für mich nicht fair und nach absoluter Abzocke.“

Dass bereits kurz nach sechs in der Frühe Kontrolleure des Ordnungsamtes Jagd auf Parksünder machen, damit hat Denis Deschner wohl auch nicht gerechnet.