Der König des Staats Bhutan, Khesar Namgyel Wangchuk, heiratet eine bürgerliche Schönheit - sehr zum Leidwesen vieler asiatischer Frauen.

Thimpu - In den Schneiderstuben von Bhutans Hauptstadt Thimpu sind nach monatelangen Stickereien endlich die letzten Säume und Borten an den fünf Kirus genäht, den traditionellen Kleidern aus Rohseide mit großen, geometrischen Mustern. Bis zu 3000 US-Dollar können die Kleider Bhutans kosten, und die 21-jährige Jetsun Pema hat fünf von ihnen in Auftrag gegeben.

 

Gelb, so schätzen die meisten Schneiderinnen in dem 100.000-Einwohner- Städtchen im Zentrum des winzigen Himalaja-Königreichs, das heute einen historischen Tag erlebt, wird bei den streng geheim gehaltenen Kirus überwiegen. Denn Gelb ist die Farbe für Erdverbundenheit, und sie scheint von der zukünftigen Königin bevorzugt zu werden.

Am heutigen Donnerstag heiratet die bildhübsche, bürgerliche Tochter eines Piloten den 31-jährigen "Drachenkönig" und Träger der Rabenkrone von Bhutan, der mit vollem Namen Jigme Khesar Namgyel Wangchuk heißt.

Der begehrteste Junggeselle Asiens

Millionen von asiatischen Frauen reagierten schier fassungslos, als "K5" - der fünfte König der Dynastie - im Mai vor dem Parlament mit zwei Sätzen alle ihre Träume beendete, einmal selbst in den Armen des "begehrtesten Junggesellen Asiens" zu landen. "Die Zeit ist gekommen, um zu heiraten", verkündete Asiens Herzensbrecher Nummer eins, "während meine Braut jung sein mag, ist sie auch warmherzig, sie besitzt ein gutes Herz und einen guten Charakter".

Der Monarch hatte sich mit seinen langen Koteletten, den gegelten Haaren im Elvis-Presley-Stil und dem mysteriösen Augenzwinkern in die Herzen seiner Verehrerinnen geschlichen, seit er vor Jahren als jüngster Gast an der Geburtstagsfeier des thailändischen Königs Bhumibol teilnahm.

Seitdem verfolgten die Medien jeden Schritt des begeisterten Mountainbikers. Mit seiner Braut, die eine Schule in Indiens Kasauli-Bergen besuchte und zuletzt am Regent-College in London eingeschrieben war, teilt er die Vorliebe für Basketball.

Kein ausländischer Monarch wurde eingeladen

Das Jawort im 300 Jahre alten Pinkaha- Dzong-Palast mitten in den imposanten Himalajabergen wird der Auftakt zu einer dreitägigen Feier sein - einem "kleinen Fest", wie es die Behörden auf Anweisung des Königs vorbereitet haben.

Kein ausländischer Monarch wurde eingeladen. Lediglich für ausländische Medien, die sich die Märchenhochzeit in dem weitgehend von der Außenwelt abgeschirmten, zwischen Indien und China eingezwängten Reich nicht entgehen lassen, mussten umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden.

Sie bringen eine Welt nach Bhutan, von der das Königreich eigentlich wenig wissen will. "Wir können nicht wie vor 1000 Jahren leben", sagt Khenpo Phuntsok Tashi, Mönch und Direktor des Nationalmuseums in Thimpu, "aber wir glauben nicht an die Kultur des Westens, die meint, man sei glücklich, wenn man ein Auto kauft oder wenn man einen Flachbildschirm besitzt." 

Für Touristen wird die Einreise teuer

Der Vater des Königs, der vier Schwestern heiratete, begründete gar das "Bruttonationalglück" als Maß, um die Zufriedenheit seiner Untertanen zu messen. Fernsehen wurde erst Ende der 90er Jahre in Bhutan eingeführt, Straßen kennt das Land erst seit etwas mehr als 20 Jahren.

Selbst dem Massentourismus zeigt Bhutan die kalte Schulter. Es dürfen nur Gruppen ins Land, die pro Person täglich zwischen 350 und 450 US-Dollar auf den Tisch legen. Als Mitte der 90er Jahre die ersten Touristen durch die Berge des Landes wanderten, wussten die Bhutanesen ihr Neugierde nicht zu zügeln: Sie spionierten durch die Bretterritzen der Unterkünfte und beobachteten selbst schlafende Besucher.

Bis heute gehen die Uhren in dem Königreich anders. Bei einer Umfrage des "Nationalen Statistischen Büros" antworten 70 Prozent der Frauen, sie würden Prügel verdienen, wenn sie dem Gatten Sex verweigerten, sich mit ihm stritten oder gar das Essen anbrennen lassen würden.

"Aufmerksamkeit" als Schulfach

Es ist freilich kaum anzunehmen, dass die junge Braut Jetsun Pema sich mit dieser Form von Eheglück zufriedengeben muss. Denn ihr zukünftiger Mann gelt sich nicht nur die Haare wie einst der selige Elvis, er betätigt sich seit seiner offiziellen Krönung im Jahr 2008 als eine Art Reformer des Königreichs.

Im Gegensatz zu seinem Vater dürfte er es bei einer Ehefrau belassen. Außerdem verzichtete K5 auf einen großen Teil seiner absoluten Macht und führt das Land vorsichtig in Richtung Demokratie. Gebremst wird er dabei häufig von den Bhutanesen, die die alten Verhältnisse bewahren wollen.

K5 legt besonderen Wert auf die Erziehung. Der König ließ kürzlich das Fach "Aufmerksamkeit" in den Stundenplan aufnehmen. Kinder lernen, Plastiktüten vom Boden aufzuheben und beispielsweise Wasser zu teilen. Das Ziel ist, den wachsenden Materialismus in geordnete Bahnen zu lenken.

Unterstützung für Frauen

Aber der "Drachenkönig" kümmert sich auch um Bhutanesinnen, die es traditionell besonders schwer hatten in dem Himalaja-Paradies: Erstmals erhalten Nonnenklöster Geld des Königreichs.

Bislang galt das Privileg nur für die Mönche. Zudem werden die buddhistischen Nonnen erstmals in der Geschichte Bhutans unterrichtet. Sie sollen später als Lehrerinnen in den entlegensten Teilen des Königreichs, wo viele der Nonnenklöster liegen, wiederum die Kinder erziehen.

Das "Land des Donnerdrachens"

Einwohner Das Königreich Bhutan liegt zwischen dem mächtigen China und Indien. Mit 38.400 Quadratkilometern ist es kleiner als Niedersachsen. Wegen der oft heftigen Stürme wird es auch "Land des Donnerdrachens" genannt. Die meisten der 708.000 Einwohner leben auf einer zentralen Hochebene auf 2000 bis 3000 Metern. Neben den Drukpas, einem Bergvolk tibetischer Abstammung, leben vor allem im Süden auch Zuwanderer aus Nepal.

Monarchie Die meisten Bhutaner arbeiten in der Landwirtschaft. Der Buddhismus ist Staatsreligion. Regierungschef der konstitutionellen Monarchie ist seit 2006 der König Jigme Khesar Namgyel Wangchuk.