Unsere Kolumnistin würde gern eine Marke werden. Deshalb versucht sie jetzt, sie selbst zu sein, damit sie herausbekommt, wer sie wirklich ist.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Die gute Botschaft ist: Ich bin alt. Ich bin in einem Alter, in dem man sich bestimmte Sorgen nicht mehr machen muss. Die Vertreter der Generation Y dagegen plagen schwere Identitätskrisen. Experten sagen, sie stünden vor der großen Lebensfrage: Wie bleibt man sich treu zwischen Tinder und Facebook? Wie findet man sein eigenes Ich zwischen Twitter und Finja? Und woran erkennt man seine eigenen Grenzen, wenn man auf Tumblr und OkCupid unterwegs ist?

 

Mich muss das nicht weiter stören. Trotzdem habe ich interessehalber einen jungen Computerexperten gefragt, was OkCupid eigentlich sei. „Das ist der Nachfolger von SparkMatch“, erklärte er mir, „die haben das Web-Framework okws entwickelt und auf GitHub gehostet.“ Das würde nun wirklich jeder Honk wissen.

Daraus folgt: weder gehöre ich der Generation Y an, noch bin ich ein Honk. Ich bin aber auch kein Nerd. Ich bin nicht mal ein Freak oder Geek. Bloß: was bin ich dann? „Wahrscheinlich bist du ein Monk“, sagt der Computerexperte. Eben jemand, der keine Ahnung hat. Eine Knallcharge. Ein Denkzwerg. Pappnase, Klapp-Spaten, Flachpfeife. Ein Horst eben.

Wenn ich der Typ beleidigte Leberwurst wäre, dann würde ich jetzt zum Hirsch. Bin ich aber nicht. Ich bin eher ein Schmacki oder Softwürfel und gehöre zur Kategorie Allesversteher. Deshalb weiß ich: nicht jedes Gegenüber taugt als Gesprächspartner in allen Lebenslagen zur geeigneten Anlaufstelle. Im Gegenteil kann eine Kontaktperson binnen weniger Minuten vom qualifizierten Ansprechpartner zum Vollhorst mutieren. Oder zum Vollpfosten.

Ich und Mensch zugleich sein

Heutzutage soll man ja eine Marke sein. Man braucht ein Label oder Logo, Tag (sprich: Täck) oder Etikett. Ich zum Beispiel bin Württembergerin. Und Baden-Württembergerin. Ich bin Wahlstuttgarterin. Hessin. Pfalzsympathisantin, Fastfranzösin und Erdenbürgerin. Vor allem bin ich aber Mensch – und in dieser Funktion jemand, der eher der Typ ist, der zwar jemand sein will, aber in erster Linie er selbst ist.

Gar nicht so einfach mit der Selbstfindung, sage ich zu einer Freundin. Wieso, sie habe keinerlei Probleme mit ihrer Identität. Sie habe ihren Platz im Leben gefunden. Außen- und Innenwahrnehmung stimmten hundertprozentig überein. Was sie übrigens meiner Kolumne verdanke. Wieso das denn, frage ich. „Es ist inzwischen doch weltbekannt, wer ich bin“, sagte sie. „Ich bin die Freundin!“