Er tröstet sie und macht sie glücklich – sie pflegt und streichelt ihn. Unsere Kolumnistin will ihren Tannenbaum noch nicht so schnell hergeben. Sie zündet weiter die Kerzen an – und erfreut sich an seiner Schönheit.

Stuttgart - Nein, ich gebe ihn nicht her! Er macht mich glücklich. Ich brauche ihn, gerade jetzt, in Zeiten wie diesen, wenn kaum jemand, am wenigsten ich selbst, zu größeren Unternehmungen aufgelegt ist, in denen die Tage zwar länger werden, aber durch anhaltendes Nieselgrau nichts als Düsternis verströmen, in denen jeder jedem grollt und das Zuhause sich in eine ungemütliche Allzweckhöhle verwandelt hat: Büro, Schlafplatz, unterdurchschnittliches Restaurant mit asiatisch-schwäbischer Fusionsküche. Seit er bei mir ist, haben meine vier Wände einen festlichen Einschlag erhalten. Schon beim Eintreten bemerke ich ihn. Er duftet – sein feiner, harziger Geruch übertönt die Schwaden von Röstzwiebeln und angebranntem Sesamöl. Seine Gegenwart tröstet mich. Zum Glück habe ich noch keine Nachricht darüber erhalten, dass seine Abholung bevorsteht. Wenn es so weit ist, werde ich sie ignorieren. Niemand kann mich dazu zwingen, ihn aufzugeben, auch wenn es sich nicht gehört, ihn über den Dreikönigstag hinaus zu beherbergen. Ich spreche auch nicht darüber, höchstens mit Menschen, von denen ich weiß, sie empfinden ähnlich.