Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu. Die 16-jährige Sophie hat ein ganz besonderes hinter sich: Ein halbes Jahr hat sie auf einem Schiff, dem Ocean College, verbracht. Dort hat sie nicht nur Schulstoff, sondern auch das Segeln gelernt.

Kinderzeitung: Maresa Stölting (mst)

Auf dem Ocean College hat Sophie (16) zweimal den Atlantik überquert. Auf ihrer Reise mit 30 weiteren Schülerinnen und Schülern ist sie durch einige Länder gereist, hat nur Schulstoff, sondern auch das Segeln gelernt, und hat fliegende Fische und Faultiere getroffen.

 

Hallo Sophie, wie bist du dazu gekommen, am Ocean College teilzunehmen?

Schon vor vier Jahren hat mir meine Mutter davon erzählt. Sie kennt einen Lehrer, der auf so einem Schiff als Lehrer gearbeitet hat. Ich wollte schon immer länger ins Ausland, etwas Neues erleben, andere Länder und neue Leute kennenlernen. Am Ocean College hat mir gefallen, dass es etwas extremer ist. Man sieht und lernt viel mehr, zum Beispiel das Segeln über den Atlantik. Als ich alt genug war, habe ich mich beworben. Das war vor etwa eineinhalb Jahren.

Wie war das Leben an Bord?

Auf unserem Schiff waren 30 Schüler, drei Lehrer und 11 Crewmitglieder, die aber immer wieder gewechselt haben. Die Bordsprache war Englisch. Pro Tag hatten drei Schüler Dienst in der Küche und haben den Koch unterstützt, beim Kochen, Abwaschen und so weiter. Eine Spülmaschine gab es nicht. Jeden Sonntag wurde das ganze Schiff von uns geputzt, zum Beispiel haben wir dann auch das Deck geschrubbt und Kleinigkeiten repariert. Grundsätzlich mussten wir oft putzen – die Bäder und die Kabinen. Es sind einfach so viele Menschen an Bord, da ist Hygiene sehr wichtig. Außerdem gab es ein Wachesystem: An jedem Tag, an dem wir Schule hatten, mussten wir vier Stunden am Tag Wache halten. Meine Lieblingsschicht war von 0 bis 4 Uhr, da war es besonders ruhig an Deck und in wolkenlosen Nächten konnte man den wunderschönen Sternenhimmel beobachten. Tagsüber wurden wir auch öfters von Delfinen oder Walen begleitet. Am Anfang muss man total viel lernen, etwa das Segelsetzen auf einem Dreimaster oder den Kurs lesen und halten. Aber mit der Hilfe von der Crew kommt man total gut rein.

Bekommt man auf so engem Raum nicht mal einen Lagerkoller?

Schon ein bisschen. Vor allem, wenn mir wegen des Wellengangs schlecht geworden ist. Man hat auch kaum Privatsphäre. Davor hatte ich ein bisschen Bammel vor der Reise. Ich bin eher ein ruhiger Typ. Aber es war wirklich nett. Dafür, dass wir uns alle nicht kannten und aus ganz Deutschland kommen, hat sich über die sechs Monate eine total nette Gemeinschaft herausgebildet. Es gab immer jemanden, mit dem man etwas machen konnte und es war nie langweilig. Die Freundschaften, die sich dort entwickeln, sind sehr sind viel enger. In der Schule verbringt man nur ein paar Stunden gemeinsam, auf dem Schiff ist man rund um die Uhr zusammen, egal ob man gerade spuckend über der Reling hängt oder es 3 Uhr nachts ist.

Wie lief das mit dem Schulunterricht?

Wir hatten vier Stunden Schule am Tag. Vormittags wurden wir unterrichtet in Mathe, Englisch, Deutsch, Bio, Erdkunde, Geschichte, Physik und Chemie. In jedem Fach haben wir eine Klassenarbeit geschrieben und wir haben auch ein Zeugnis bekommen. Toll war es natürlich, den Stoff „live“ zu erleben. So haben wir im Unterricht die Kuba-Krise besprochen. Umso interessanter war es dann, als wir später auf Kuba angelegt haben und uns selber einen Eindruck vom Land verschaffen konnten. Zusätzlich zum normalen Unterricht auf dem Schiff haben mir meine Lehrer aus Deutschland Unterrichtsmaterial zugeschickt, das ich nachmittags in der Freiarbeit bearbeitet habe. Das war gerade für Physik und Mathe wichtig, die ich als Leistungskurs weiter machen will.

Hattest du einen Lieblingsstopp?

Viele Länder waren richtig cool. Lissabon hat mir sehr gut gefallen – es war gutes Wetter und es ist eine sehr schöne Stadt. Da konnte ich einfach mit meinen Freunden unterwegs sein und wir hatten komplette Freiheit, was wir machen wollen. Die Karibikinseln waren natürlich wunderschön. Wir waren zum Beispiel auf einer ganz kleinen, unbewohnten Insel. Da kommt man wirklich nur mit dem Schiff hin, und wir haben dort am Strand übernachtet. Auch Costa Rica war einfach toll. An der Küste waren wir surfen und baden, eine Woche lang hatten wir einen Spanischkurs, wir waren auf einer Kaffeefarm und im Regenwald. Die Natur dort ist einfach wunderschön. Wir haben Affen und Faultiere gesehen, Papageien sind vorbeigeflogen. Aber auch Skorpione, Schlangen und Spinnen gab es. Angst hatte ich nicht – aber größere Taranteln sind nicht so mein Ding.

Was hast du in der Zeit auf dem Ocean College über dich selbst gelernt?

Ich dachte immer, dass ich jemand bin, der sich manchmal schwer tut mit neuen Leuten in Kontakt zu kommen. Es war aber schön zu erleben, wie schnell ich mit neuen Leuten ins Gespräch gekommen bin, eine Verbindung aufgebaut und neue Freunde gefunden habe. Ich habe auch gelernt, Verantwortung zu übernehmen, etwa wenn man nachts für die Sicherheit des Schiffs verantwortlich ist, während die meisten unter Deck schlafen. Auch so banale Dinge wie aufräumen, Waschdienst, Küchendienst: Zuhause diskutiert man mit seinen Eltern, auf dem Schiff gibt es keine Diskussion. Und wenn das Segel gesetzt werden muss, und es ist gerade kein gutes Wetter, dann muss man trotzdem raus. Egal ob es regnet, stürmt, es hohen Wellengang gibt und man sich die Finger abfriert. Man macht es einfach und denkt nicht so viel darüber nach.

Wie groß war die Umstellung, als du wieder nach Hause gekommen bist?

Es war ein großartiges Erlebnis und ich habe viel gesehen, erlebt und neue Freundschaften geknüpft. Meine Eltern sind neidisch, wo wir überall unterwegs waren. Trotzdem war es toll, wieder im eigenen Bett schlafen zu können und meine alten Freundinnen zu treffen. Eine konkrete Sache, die mir aber einfällt: Auf dem Schiff, bei Wellengang, musste man sein Essen immer festhalten, damit es nicht vom Tisch rutscht. Man konnte Essen und Getränk also nicht gleichzeitig vor sich haben, weil man ja beides festhalten musste. Zuhause ist das natürlich nicht mehr nötig und man kann alles wieder auf den Tisch stellen ohne die Sorge, dass bei der nächsten Welle wieder alles durch die Messe fliegt.

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Maresa Stölting ist die Leiterin der Stuttgarter Kinderzeitung. Das 24-seitige Magazin erklärt Kindern die Welt und kommt jeden Freitag druckfrisch zu Ihnen nach Hause. Probeabo hier bestellen!