Millionen von Teenagern können durchatmen. Es darf weiter getanzt werden! Die Video-App Tiktok verschwindet nicht aus den US-App-Stores. Influencer wie Charli d’Amelio oder Addison Rae können auch in Zukunft ihre neuesten Choreografien auf Tiktok posten. „Zum Glück!“, findet unsere Kinderreporterin Emma.

Nachrichtenzentrale: Nadia Köhler (nl)

Stuttgart - Präsident Donald Trump war drauf und dran die App Tiktok zu verbieten. „Das wäre richtig schlimm für mich gewesen“, erzählt unsere Kinderreporterin Emma (11). Denn ganz viele ihrer Stars, die aus den USA kommen, hätte sie dann nicht mehr sehen können. Während des Corona-Lockdowns hat Tiktok Instagram und Facebook überholt und ist in Rekordzeit zu einer der beliebtesten Apps in den Kinderzimmern geworden. Auch Emma ist vor vier Monaten während des Homeschoolings bei Tiktok eingestiegen. Sie erklärt, warum die App sofort „süchtig“ macht.

Du willst einer Freundin dabei helfen, ihre Mutter davon zu überzeugen, ihr Tiktok herunterzuladen. Wie erklärst du der Mutter, warum Tiktok gut für ihre Tochter ist?

Mir ist es tatsächlich erst vor ein paar Tagen gelungen, die Mutter meiner Freundin von Tiktok zu überzeugen. Ich habe ihr erklärt, dass man sich auf Tiktok ganz viel bewegt, weil man da die ganze Zeit tanzen kann. Und: Eltern wollen ja immer, dass man ganz viel mitbekommt, von dem was auf der Welt passiert. Also habe ich der Mutter gesagt, dass man da auch viele Informationen darüber bekommt, was gerade wichtig ist.

Welche Nachrichten hast du denn tatsächlich zum ersten Mal über Tiktok erfahren?

Ich habe dort erfahren, dass Trump Tiktok in den USA verbieten wollte, dass Ed Sheerans Tochter Lyra Antarctica heißt und wie man mit IOS14 tolle Hintergründe auf seinem Smartphone machen kann. Außerdem sehe ich viele Videos zu den Themen „Black lives Matter“, „LGBT“ und Plastikmüll. Ich finde, auf Tiktok wird ganz gut erklärt, was es mit diesen Stichworten auf sich hat. Seit ich auf Tiktok bin, weiß ich, worum es dabei geht und wie wichtig diese Themen sind.

Was machst du auf Tiktok am meisten?

Am Anfang habe ich viel getanzt, da habe ich mindestens 20 Videos am Tag hochgeladen. Jetzt sind es höchstens noch drei, weil es echt anstrengend ist, diese Videos zu machen. Da braucht man ständig neue Versuche, dann bearbeitet man das Video, schneidet es, legt einen Filter drauf und schreibt noch etwas dazu - das dauert alles ewig! Dazu fehlt mir manchmal die Motivation.

Probst du immer den gleichen Tanz?

Nein, da sind ständig neue angesagt. Ich kann jetzt schon mindestens 80 Tänze.

Du drehst also vor allem Videos auf Tiktok?

Nein, inzwischen schaue ich eher Videos an, als dass ich selbst welche drehe. Es gibt eine Funktion, da kann man sehen, wie viele Videos man schon geschaut hat. Das waren bei mir kürzlich 3000 Videos.

Was sind deine drei Lieblingsvideos auf Tiktok?

Am liebsten schaue ich Charli d’Amelio, das ist die beste Tänzerin auf Tiktok. Die hat jetzt 88 Millionen Follower. Sie erfindet ständig neue Tänze, das finde ich super. Danach kommt bei mir Addison Rae, die tanzt auch und das ist echt verrückt, wie die sich bewegen kann. Mein drittliebstes Video ist von meiner Freundin. Es zeigt alle Momente, in denen sie in ihrem Leben besonders glücklich war – darin kommt auch ein Bild von ihr und mir im Kindergarten vor.

Gibt es auch Videos auf Tiktok, die du blöd findest?

Ja, kürzlich gab es einen verrückten Trend. Da sind alle auf die Weide gelaufen und haben Kühe erschreckt, damit sie muhen. Das fand ich bescheuert, und die Bauern haben sich zu Recht furchtbar darüber aufgeregt.

Wieviel Zeit am Tag verbringst du auf Tiktok?

Meine Eltern haben eine Bildschirmzeit auf meinem Handy eingerichtet. Da habe ich am Tag eine Stunde für Tiktok. Die brauche ich meistens ganz auf. Am Wochenende bin ich wirklich viel zu viel auf Tiktok, da stelle ich manchmal bis zu fünf Verlängerungsanfragen. 

Bist du süchtig nach Tiktok?

Ja, definitiv! Ich habe es mal aus Frust gelöscht, das habe ich ungefähr vier Wochen ausgehalten. Mir passiert es sehr oft, dass ich da gar nicht mehr von wegkomme. Vor allem, wenn während der Hausaufgaben das Handy neben mir liegt. Dann nehme ich es in die Hand und denke: „Nach dem nächsten Video mache ich aus“, aber dann scrolle ich immer weiter runter, und schon ist die Stunde Tiktok-Zeit wieder vorbei. Ohne diese Zeitbeschränkung würde ich wahrscheinlich unendlich viel Zeit auf der App verbringen. Ich würde wahrscheinlich abends nicht mal schlafen gehen. Darum bin ich wirklich ganz schön froh, dass meine Eltern diese blöde Zeitbeschränkung eingerichtet haben. Meine Freundin hat kein Limit und sie hat sich jetzt selbst eine eingerichtet.  

Ist dir schon mal etwas Blödes auf Tiktok passiert?

Ja, meine Videos können nur meine 25 Follower sehen. Das sind alles Freundinnen von mir, die ich auch wirklich kenne. Mein Account ist privat und ich darf keine Follower annehmen, die ich nicht kenne. Eine Freundin von mir hat aber meine Videos gespeichert und dann in ihren Whatsapp-Status gestellt, so dass ganz viele Leute die sehen konnten. Einige haben mich dann ausgelacht.  

Wie alt sollte man für Tiktok sein?

Nicht so viel jünger als ich. Ich habe auch schon brutale Sachen auf Tiktok gesehen oder schlimme Beleidigungen – von denen bekäme meine kleine Schwester Albträume. Und auch nicht allzu alt. Wenn meine Mutter Videos auf Tiktok posten würde, wäre das peinlich. Aber ich fände es schon cool, wenn sich meine Eltern mehr für Tiktok interessieren und mitreden würden, statt die Augen zu rollen, wenn ich erzähle, wer jetzt wieder einen neuen Tanz gelernt hat. Papa redet mit mir aber über so etwas wie Golf und das interessiert mich halt gar nicht!

Nadia Köhler ist die Leiterin der Stuttgarter Kinderzeitung und der Stuttgarter Kindernachrichten. Das 24-seitige Magazin für Kinder erscheint jeden Freitag. Probeabo bestellen unter: www.stuttgarter-kinderzeitung.de