Früher war alles besser? Jein! Unsere Autorin guckt mit ihren Töchtern alte Serien und stellt fest: Nicht alles ist bei „Anna“ oder „Ich heirate eine Familie“ gut gealtert.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

In der Erinnerung verklärt sich ja so manches. Die Winter in den 1980er Jahren: Haufenweise Schnee von November bis Ostern und durchgehend weiße Weihnachten. Die Sommer: Jeden Tag Freibadwetter. Und das Fernsehen: So viel schöner, bedeutender, gefühlvoller als heute. Will man sich diese Illusion bewahren, sollte man es dabei belassen und lieber nicht genauer hinschauen. Mein Kollege Jan Georg Plavec hat kürzlich in den Wetteraufzeichnungen gestöbert und herausgefunden, dass es in den 1980ern genau zwei Mal weiße Weihnachten gab – 1981 und 1986. Früher war also vielleicht mehr Lametta, aber bestimmt nicht mehr termingerecht eintreffender Flockenfall.

 

Was das Fernsehen angeht, ist der Aufprall auf dem harten Betonboden der Realität vielleicht am schmerzhaftesten. Es gibt nichts, was in einer Gruppe Ü-40-Jähriger schneller ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugt als ein Gespräch über alte Fernsehserien. Von „Hart aber herzlich“ ist man schnell bei „Remington Steele“, von dort ist es nur ein kleiner Sprung zu „Baywatch“ oder „Ein Heim für Tiere“ und spätestens bei den ZDF-Weihnachtsserien ist man sich einig, dass nichts je wieder so schön war wie „Anna“, „Silas“ oder „Timm Thaler“.

Wer hat in jüngerer Zeit mal „Ich heirate eine Familie“ geguckt?

Aber jetzt mal ehrlich: Wer hier hat in jüngerer Zeit mal eine Folge „Ich heirate eine Familie“ geguckt? Ich! Zusammen mit meinen elfjährigen Töchtern. In den schillerndsten Farben hatte ich ihnen die Serie aus dem Jahr 1983 angepriesen. Ja, manches ist immer noch nett: Das Mundharmonika-Intro zum Beispiel. Der wirklich drollige Lockenkopf Tom (Tarek Helmy) mit seiner Meersau Bommel. Die schwer pubertierende und entsprechend meist ätzend gelaunte Tanja (Julia Biedermann) – naja, vielleicht nicht eben nett, aber zumindest ziemlich exakt getroffen.

Anderes ist dann aber doch irgendwie schlecht gealtert: Die ziemlich sexistische Plakatwerbung, die Werner (Peter Weck) in seinem Studio entwirft. Oder dass Angi (Thekla Carola Wied) ihre Modeboutique aufgibt, weil die Familie eben an erster Stelle steht. Warum tritt nicht Werner kürzer und pinselt weniger Plakate mit nackten weiblichen Kehrseiten? Dazu kommt das Tempo, beziehungsweise das Fehlen desselben: In einer Folge sitzen die Schumanns sage und schreibe fast fünf Minuten in ihrem silbernen Mercedes 190 und fahren in den Urlaub. Nach heutiger Serienlogik müsste nach spätestens 30 Sekunden abgeblendet werden. Doch es waren die 80er und wenn wir eines hatten, dann scheinbar jede Menge Zeit.

Rainers Flachwitze und Annas Schulterpolster

Inzwischen haben wir uns zu „Anna“ durchgeglotzt. Auch hier: das gleiche Bild. Dass ein Ende 20-jähriger Ballettlehrer seine 15-jährige Schülerin anbaggert, ist mir früher nie negativ aufgefallen. Genauso wenig, dass der super schlagfertige Rainer (der Superstar der ZDF-Weihnachtsserienwelt: Patrick Bach) ziemlich alberne Flachwitze auf Lager hat. Meine Kinder mögen’s trotzdem – vor allem amüsieren sie sich köstlich über die geschmacklich grenzwertige 80er-Jahre-Klamotten. Dabei würden heutige Hipster Anna (schmerzlich vermisst: die 2012 gestorbene Silvia Seidel) ihre Jeansjacke mit Schulterpolstern vom zierlichen Ballerinenleib reißen. Weil so ein Teil heute nicht mehr peinlich, sondern Retro ist. Oder eben Vintage.

Was nie blöd wird, ist übrigens „Löwenzahn“! Peter Lustig erklärte meinen Töchtern alles – und mir oft mit: Wie funktioniert Elektrizität? Wie kriegt man in einer Kläranlage das Wasser wieder sauber? Warum kann ein Flugzeug fliegen? Klar, heute gibt es Checker-Tobi, Checker-Julian, Checker-Can und mit Checker-Marina endlich auch ein weibliches Wesen, das gut erklären kann. Aber Peter Lustig und sein Bauwagen bereiten mir ein heimeliges Gefühl im Bauch. Und die Kinder lernen was und lachen über Herrn Paschulke. Win, win sozusagen. Macht mich das alt? Vielleicht. Vielleicht aber auch nur Retro. Oder Vintage.

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Theresa Schäfer (42) ist Mutter von Zwillingen – und Redakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power und argumentativen Logik von zwei Elfjährigen steht sie oft staunend und manchmal völlig geplättet gegenüber.