Fallengelassen und ignoriert. Unser Autor berichtet vom schleichenden Ende einer Beziehung und seinem Weg zurück ins Leben. Also, auf den anderen Spielplatz.

Manchmal denke ich noch an ihn, an diesen Mittag, das Eis und daran, wie er mit meinen Gefühlen gespielt und mich dann hat alleine im Regen fallen lassen wie so eine, äh, heiße Kartoffel, oder wie das heißt. Mistkerl. Aber ich will ehrlich sein: Unter normalen Umständen hätte ich einem solchen Typen niemals meine Telefonnummer gegeben. Aber was ist schon normal als Eltern: Man schläft zu wenig, sagt alles fünf Mal und verbringt viel Zeit an Orten, an denen Kinder Spaß haben. Im Idealfall: mit anderen Kindern. Spielplätze zum Beispiel.

 

Manche Eltern lesen dort, einige daddeln auf dem Smartphone rum und andere rufen unentwegt die Vornamen ihrer Kinder zuzüglich irgendwelcher Handlungsparameter, die nicht nur den Adressaten, sondern auch allen anderen Anwesenden völlig egal sind. Lukas soll seine Jacke anziehen, Marie die Rutsche freigeben und irgendeiner (Namen nicht verstanden) hat schon wieder mit Sand geworfen. „So was machen wir doch nicht, Elias!“. Ah, Elias heißt er.

Tooorrrr!

Ich habe mal gemeinsam mit einem Vater „Tooor!!! Jaaaaaa!“ über den Kinderspielplatz gerufen, weil Wataru Endo eines gemacht hat und der VfB nicht abgestiegen ist. Und ja: Wir haben uns halbheimlich auf dem Kinderspielplatz die Bundesliga-Schlusskonferenz am Smartphone angehört, während unsere Kinder anderweitig Spaß hatten.

Manchmal sind leider keine Eltern anwesend, mit denen man so etwas machen könnte. Ein Vater zum Beispiel, er sah reichlich verhuscht und verknittert aus, um nicht zu sagen: neben der Kappe. Er schien mir auch etwas zu ernsthaft und viel zu missmutig für einen Spielplatz. Aus seiner Tasche ragte ein Buch. Den Titel habe ich vergessen, aber grob ging’s um Strategien, wie man es auch ohne Wissen und Begabung im Job weit bringen kann. Aber ich möchte da jetzt nicht unnötig den Reich-Ranicki raushängen lassen: Ich lese Autobiografien von Musikern, die nie in den Charts waren und teils seit Jahren schon tot sind. Worauf ich raus möchte: Wir kamen aus zwei Welten auf diesem Spielplatz zusammen.

„Wir müssen langsam los“

Unsere Söhne jedoch wurden binnen fünf Minuten zu einer Gang. Sie spielten, lachten, erklärten sich gegenseitig die Welt und verkauften uns Fantasie-Eis aus Sand. Ich: „Yeah! Brombeere! Lecker.“ Er: „Ja, lecker.“ Wir entdeckten erste Gemeinsamkeiten, redeten aber sonst nicht viel. Es wird eh immer viel zu viel gesprochen. Ein super Mittag eigentlich. Doch dann wurde es unangenehm: „Wir müssen langsam los“, sagte er. „Gibst du mir deine Telefonnummer? Unsere Jungs können ja super miteinander.“ Und er hatte ja recht – also, gab ich ihm meine Nummer, dachte aber gleichzeitig „Oh je, hoffentlich ruft der jetzt nicht ständig an.“ Ich mach’s kurz: Der Mistkerl hat sich nie gemeldet.

Ab und an denke ich noch an ihn. Aber wir gehen jetzt auch nicht mehr auf diesen Spielplatz. Der Sohn spielt gerade lieber mit den Jungs und Mädchen aus der Nachbarschaft Fußball auf dem Bolzplatz. Das Leben geht schließlich weiter. Auf dem Bolzplatz fragt mich ein Junge, wie alt ich sei. Ich: „50“. Er: „Cool! Mein Opa ist 54.“ Mein Kopf: „Danke, aber ich weiß nicht, ob ich bereits reif für eine neue Beziehung bin.“

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Michael Setzer ist seit fünf Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.