Die Weihnachtszeit ist gar nicht so besinnlich, wie man sich das immer so ausmalt. Dabei braucht es gerade jetzt Distraktion von der Realität, findet unsere Redakteurin Anja Wasserbäch.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Kennen Sie den schon? „Welches Gebäck weiß auf alles eine Antwort? Der Googlehupf.“ So geht es bei uns jeden Morgen – vom 1. bis zum 24. Dezember, meist zwischen 6.28 und 6.44 Uhr, wenn Kaba- und Kaffeetassen dampfend auf dem Tisch stehen. Im Adventskalender des Kindes befindet sich immer etwas kleines Süßes und Praktisches (Handwärmer beispielsweise) und ein kleiner Witz. Die Witze sind manchmal sehr flach, oft aber auch sehr lustig. 24 Türchen, 24 Witze. Ho, ho, ho, ho.

 

Alles ist zwei Jahre später sehr viel anders, nur die Witze sind geblieben.

Eingeführt haben wir das mit den Witzen im ersten Coronawinter 2020, als wir nicht wussten, wann es Impfungen geben wird, wann die Schulen wieder öffnen oder schließen, ob und mit wem man Weihnachten feiern darf. Alles ist zwei Jahre später sehr viel anders, nur die Witze sind geblieben.

Dabei gibt es eigentlich gar nichts zu lachen und zum Besinnlichsein, wenn man sich die Welt anschaut. Krieg, Krise, Klimawandel. Es geht seit Wochen ausschließlich um schlechte Nachrichten: Die Kitas leiden an Erzieherinnenmangel, die Lernlücken der Grundschülerinnen und Grundschüler sind enorm. Während Eltern auf dem Zahnfleisch gehen, weil ja unbedingt alles vor Weihnachten noch erledigt sein möchte und auch noch diverse Kinderpunsch-Back-Gutsle-Contests gewonnen werden müssen, ist die Anspannung groß. Ja, immer schön besinnlich bleiben: Heidschi-bumm-beidschi-bummbumm. Gesund bleiben wäre auch wichtig, aber um uns herum sind alle krank. Kaum eine Familie, in der nicht mindestens einer flachliegt: RSV hatte ich bis vor Kurzem noch für einen Kunstradsportverein gehalten, so wie Corona bis vor ein paar Jahren ausschließlich mit einer fahlen Biersorte assoziiert wurde. Nein, es gibt nichts zu lachen.

Kaum eine Familie, in der nicht mindestens einer flachliegt

Die Lage ist prekär in den Kinderkrankenhäusern, und in den Wartezimmern werden Kinder und Eltern gestapelt. Wen es noch nicht erwischt hat, der hat mit den Auswirkungen der Krankheitslage zu kämpfen. Und wenn wir was gelernt haben in den vergangenen Jahren – außer viel neuem Vokabular –, dann auch, dass auf einen Notfallplan bald die erste Gruppenschließung folgt. So stand eine Freundin neulich morgens vor der Kindertagesstätte, um mitgeteilt zu bekommen, dass die Gruppe ihrer Tochter kurzfristig geschlossen wurde. O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!

Alles im Advent ist eine berechtigte Ablenkung

Für die Kinder aber ist die Weihnachtszeit eine ganz besondere Zeit. Das geht bei den Plätzchen los und reicht bis zum Kaufen des Tannenbaums. Und da ist die große Vorfreude auf den Nikolaus, der den Stiefel mit Nüssen und Mandarinen füllt. Da braucht es ab und an auch kleine Notlügen, wenn uns das Kind am Vorabend des 6. Dezember auf die Schliche kommt, dass der Nikolaus eventuell nicht ganz alleine Stiefel befüllt. „Habt ihr mich etwa mein ganzes Leben lang belogen?“ Nein, natürlich nicht.

Alles im Advent ist eine berechtigte Ablenkung – nicht nur vom Alltag, sondern von der großen Krise. Wir brauchen die Distraktion gerade so dringend, ohne dabei die Augen zu verschließen. Für Eltern ist es manchmal die Flucht in die Nostalgie. Wir spielen „Sagaland“ und schauen „Nonni und Manni“ (ab 20.12. in der ZDF-Mediathek). Es hilft ja sonst nichts. Frohes Fest!

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Unsere Autorin Anja Wasserbäch ist Mutter eines Schulkindes. Alle Jahre wieder stellt auch sie fest, dass die Weihnachtszeit gar nicht so besinnlich ist, wie man sich das immer ausmalt.