Manche Tierarten sind im Lauf der Evolution immer größer geworden – und dann ausgestorben. Ob diese Regel auch für Autos gilt, ist unklar – aber ein bisschen spekulieren wird man ja trotzdem dürfen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Wenn das Cope’sche Gesetz von der Ampelkoalition ersonnen worden wäre, hieße es wahrscheinlich „Große-Tiere-Gesetz“ oder so ähnlich. Denn es besagt, dass Tierarten im Lauf der Evolution immer größer werden. Ersonnen hat die Regel der US-amerikanische Paläontologe Edward Drinker Cope (1840–1897). Er stützte sich auf Fossilienfunde aus verschiedenen erdgeschichtlichen Perioden. Ein Beispiel dafür sind Pferde, deren frühe Vorfahren mit 20 Zentimeter Schulterhöhe kleiner waren als die meisten heutigen Hunderassen.

 

Allerdings ist es mit Copes Gesetz so gelaufen wie mit vielen Gesetzesvorhaben der Ampel auch: Sobald es formuliert war, gab es Streit darüber. Aktueller Stand der Forschung ist, dass sich das von Cope postulierte Größenwachstum zwar in vielen Fällen beobachten lässt, doch auf der anderen Seite gibt es eben auch Tiere, die im Laufe der Evolution immer kleiner geworden sind. Beispiele dafür sind einzelne Arten von Knochenfischen, Schildkröten oder Echsen. Copes Gesetz ist letztlich also gar keines, weil es keine Allgemeingültigkeit besitzt.

Doch warum werden die einen Tiere innerhalb vieler Jahrtausende größer, während die anderen schrumpfen? Diese Frage trieb auch Forscher der britischen University of Reading um. Wie es sich heutzutage gehört, simulierten sie die Größenentwicklung verschiedener Tierarten mithilfe aufwendiger Computermodelle. Das wenig überraschende Ergebnis: Ob Tiere größer oder kleiner werden, hängt in erster Linie vom Nahrungsangebot und der Konkurrenzsituation ab.

Wettbewerb um Nahrung und Platz

Wo es reichlich Futter gibt und wenig andere Tiere denselben Lebensraum beanspruchen, werden die Arten demnach tendenziell größer. Umgekehrt ist es dagegen, wenn zwischen Tierarten ein starker Wettbewerb um Nahrung und Platz herrscht. „Sie belegen dann verschiedene Nischen und werden dabei immer kleiner, um weniger Energie aus Nahrung zu verbrauchen“, so einer der beteiligten Forscher.

Doch nicht nur bei vielen Tierarten lässt sich ein anhaltendes Größenwachstum beobachten, sondern auch bei Autos. Bei jedem Modellwechsel ist beispielsweise der VW Golf etwas länger, breiter und schwerer geworden als das jeweilige Vorgängermodell. Ein aktueller VW Polo, der als Kleinwagen eigentlich eine Klasse tiefer rangiert, ist inzwischen größer als der erste VW Golf.

Auch die heutigen Versionen früherer Kleinwagenklassiker wie Mini Cooper oder Fiat 500 wirken im Vergleich zu ihren Urahnen reichlich aufgedunsen – als hätte man ihnen zu viel Kortison verabreicht. Und dann sind da noch die dicken SUVs, für die sogar schon Parkplätze verbreitert werden mussten. Die Größenentwicklung von Kraftfahrzeugen lässt sich einerseits mit einem reichlichen Nährstoffangebot erklären. Egal, wo man sich im Land befindet, der Sprit kommt zuverlässig wie eh und je aus der Zapfsäule – Energiekrise hin oder her. Hinzu kommen psychologische Faktoren. Manche Wissenschaftler sehen in furchteinflößenden Straßenpanzern so etwas wie rollende Persönlichkeitsprothesen, die ihren Besitzern ein Gefühl von Überlegenheit verschaffen sollen – was offensichtlich viele Leute nötig haben.

Straßen-Dinos unter Druck

Die britischen Forscher haben aber auch ausgerechnet, dass bei besonders kleinen wie auch bei besonders großen Tieren das Risiko des Aussterbens deutlich höher ist als bei mittelgroßen Spezies. Als abschreckendes Beispiel gelten die Dinosaurier, die zu groß geworden waren, um die kalte und nährstoffarme Periode nach einem gigantischen Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren zu überstehen.

Vielleicht geht es zu großen SUVs irgendwann genauso. In innerstädtischen Verkehrsökosystemen ist bereits seit einiger Zeit eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für die automobilen Dickschiffe festzustellen, etwa in Form gesalzener Parkgebühren oder in Gestalt von Aktivisten, die nachts die Luft aus den Reifen lassen – wovon wir uns ausdrücklich distanzieren. Wir wollen schließlich nicht schuld sein, wenn die Dinosaurier der Straße aussterben.