Mächtige Männer, denen die Hände gebunden sind . . . Manchmal muss man die Dinge einfach laufen lassen – im Privaten wie in der Politik, glaubt unser Kolumnist Dieter Fuchs.

Seite Drei: Dieter Fuchs (fu)

Stuttgart - Seit der Geburt unseres zweiten Sohnes fühle ich mich wie der amerikanische Präsident. Du hast die Macht, das Geld, du bist der Stärkere mit Übersicht und Intelligenz – und dennoch manchmal verdammt hilflos. Die Welt macht trotzdem, was sie will. So ist es auch bei uns zu Hause. Ohne meine Michelle wäre ich verloren.

 

Früher dachte ich gelegentlich, was dieser Obama eigentlich den ganzen Tag so treibt. Er will der Führer der freien Welt sein, allen Völkern Demokratie beibringen und lässt die Dinge trotzdem einfach laufen. Venezolanische Halbdiktatoren vernascht man doch zum Frühstück und iranische Atomunterhändler zum Kaffee. Heute weiß ich, dass auch die Schwachen starke Waffen haben. Ich will nicht von Terrorismus sprechen. Aber es ist nahe dran.

Als sein kleines Brüderchen nach Hause kam, versuchte unser Großer nicht etwa sein Terrain zu verteidigen. Er wollte ausziehen – wenn er das Wort schon gekannt hätte. Er wollte nicht mehr vom Kindergarten abgeholt werden und auf keinen Fall das Haus betreten. Stattdessen bereitete er einen Sitzstreik im Garten vor. Es kostete mich alle Anstrengung, nicht von taktischen Atomraketen Gebrauch zu machen, sprich, ihn einfach in sein Zimmer zu schleifen.

Ausflug zum Spielplatz

Ein klassischer politischer Kompromiss wurde ausgehandelt, mit dem eigentlich keiner zufrieden war, der aber der Gesichtswahrung diente: Wir gingen auf den Spielplatz. Gelangweilt schlenderte der Sohn von Spielgerät zu Spielgerät, während der Vater seine Nerven im Zaum zu halten versuchte. Schließlich wurde klar: der Kleine ignoriert mich! Weder Friedensangebote noch Handlungsanweisungen drangen zu ihm durch. Stattdessen bändelte er mit der fremden Frau neben uns an, die ihn mit Sonnenblumenkernen lockte. Sonnenblumenkerne! Beinahe hätte ich alle diplomatischen Beziehungen abgebrochen und ihn einfach da gelassen. So muss sich Obama bei Staatsbesuchen in Russland fühlen. Aber da fährt er ja nicht mehr hin.

Neben der Ignoranz mediokrer Mitglieder der Weltfamilie, die den Präsidenten wie auch mich regelmäßig überfordert, scheitern wir oft auch an der Unübersichtlichkeit der Schauplätze. Während sich der Präsident gerade mit Syrien beschäftigt, beißt ihn von hinten ein kleiner NSA-Mitarbeiter in die Waden, zerpflückt die Opposition sein Haushaltsgesetz im Kongress und versinkt der Mittlere Westen in Regenfluten. Bei mir schreit der Kleine auf dem Arm, weil ihn die Darmwinde plagen, der Große hat seine Eisenbahn in Kabafluten versinken lassen, sticht mir mit Dinosaurierhörnern in die Seite, und draußen klingelt der Eismann-Vertreter, der nur eine kleine Unterschrift will. Kein Wunder, dass wir in Zukunft jeden Monat drei Kilo Tiefkühlerbsen geliefert bekommen und Obama die Nahostkrise nicht lösen kann.

Aber manchmal klappt es auch, mit viel Trickserei und wenigen pädagogischen Idealen. Manchmal läuft es wirklich rund, fast schon nobelpreisverdächtig. Im Moment herrscht Weltfrieden. Aber als Präsident weiß man: das ist nur eine Frage der Zeit.