Das Älterwerden besteht aus Phasen. Und die legen sich. Das könnte besorgte Eltern beruhigen, deren Nachwuchs sich auf Hello Kitty oder Ballerspiele konzentriert. Meint unser Kolumnist Christoph Schlegel.

Stuttgart - Wenn man eine Familie plant, macht man das in der Regel nicht wie bei einer Reihenhaussiedlung. Man setzt sich nicht, entwirft einen Plan oder programmiert eine Software, die das Eintreffen der jeweiligen Kinder berechnet – und zwar zum jeweils günstigsten Zeitpunkt, auch im Hinblick auf Klima, Parteizugehörigkeit und Kontostand. Echte Familienplanung läuft wesentlich verquerer und kann sich mitunter hinziehen wie der Bau eines Hauptstadtflughafens. Irgendwann fängt man halt an, dann kommt das nächste, und dann noch eins, und noch eins, und so weiter. Das kann Jahre dauern. Ich kenne eine Familie, die haben bis zu sieben Jahre zwischen die jeweiligen Kinder gelegt. Sieben lange Jahre.

 

Allerdings, wenn sich das Ganze so in die Länge zieht, also, wenn der eine noch sprechen lernt, während die andere schon ihren Führerschein macht, stehen Eltern vor einer großen Herausforderung: Wie bringt man die ganzen Interessen unter einen Hut? Jeder hat ja andere Vorlieben. Bei uns reicht das Spektrum inzwischen von Baby Born zu Jason Bourne. Ergänzt durch Sami Khedira bzw. Hello Kitty bzw. Gladiatoren bzw. alles von Apple. Während in einem Zimmer die Puppen zum Pullern gebracht werden, hockt im nächsten Zimmer einer und schaut zu, wie Matt Damon in Marokko durchs Badezimmerfenster fliegt. Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir beim „Räuber Hotzenplotz“ schreiend aus dem Kino gerannt sind, weil der Zauberer Petrosilius Zwackelmann die Augen so aufgerissen hat. Aber jetzt geht das recht flüssig rein: die „Russen-Mafia“, „Langley“, „MI6“. Alles kein Problem. Wenn man so will, befinden wir uns in einer Agenten-Phase, in einer Superagenten-Phasen. Überhaupt, auch das eine Erkenntnis, besteht Kindheit und Jugend aus einer Abfolge von Phasen.

Man wird nicht älter, man geht durch Phasen. Das Gute an den Phasen: damit lässt sich alles erklären. Wenn der Sohn 18 Stunden am Tag vor dem Ego-Shooter hängt, sich von Käseresten einer Pizzaschachtel ernährt und sich mental auf den Stand eines Höhlenbewohners runtergefahren hat, sagt man sich: Gut, es ist eine Phase, das legt sich. Oder wenn er seit Neuestem den Ramadan begeht, von morgens bis abends fastet und einen regen Mailverkehr mit Pakistan unterhält, was denkt man als aufgeklärter Vater: Ach, ist doch nur eine Phase. Geht vorbei. Nicht schlümm! Und wenn die Allerjüngste den Tag zu einem einzigen „NEEEEEEEIIIIINNNNN!!!!!!!“ erklärt, zu einem lauten, immer wieder kehrenden „NEEEEEEIIIINNNN!!!!!!“, egal was man fragt, bittet oder sagt, dann lässt man sich nicht – was eigentlich angebracht wäre – in die Psychiatrie einweisen, sondern beharrt: „Nur eine Phase“, bald wieder vorbei.

Das Schöne an der Phasen-Drescherei ist, die Mühsal des Lebens perlt an einem ab, man spürt innere Wärme, Frieden und Ausgeglichenheit. Wie hat ja schon der Urvater aller Phasen, Hermann Hesse gesagt: „Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen.“ Und so durchschreiten auch wir heiter Phase um Phase.