Die Berufswahl beschäftigt schon die Allerkleinsten. Doch, was Kinder werden wollen, ist oft nicht das, was Väter sich ausdenken. Unser Kolumnist Matthias Hohnecker hat da so seine Erfahrungen gemacht.

Stuttgart - Wenn man Tochter E. (10) vor ein paar Jahren fragte, was sie mal werden möchte, sagte sie: groß. Das hat sie erstaunlich schnell geschafft. Sie ist größer als ihre Großmutter C. und sie ist vor allem größer als ihr drei Jahre älterer Bruder P. Dass sie auch einen großen Widerspruchsgeist hat, große Süßgetränke mag, eine große Datenrate fürs Handy braucht und eine ganz große Drogeriemarktbesucherin ist, sei hier überflüssigerweise auch noch hingeschrieben. Wer zehnjährige Mädchen kennt, den wird das nicht überraschen. Auch nicht, dass zehnjährige Mädchen einfach alles, was in ihrem Leben passiert, mit „Oh mein Gott!“ kommentieren und dazu ihre flache Hand zwischen Nase und Oberlippe platt drücken wie eine Seifenoperdarstellerin. Der Mond ist aufgegangen? Oh mein Gott! Bienenstock reimt sich auf Hosenrock? Oh mein Gott! Fluoreszierendes Licht summt in b-Moll? OH MEIN GOTT!

 

Früher antwortete man auf die Frage, was man einmal werden wolle, mit: Lokomotivführer. Oder: Nobelpreisträger. Oder: Kunstblumengießer. Wobei diejenigen, die – wie ich – angaben, beruflich Kunstblumen gießen zu wollen, sich wie geschaffen fühlten für eine Karriere als Stadion füllender Komödiant. Solche Scherzkekse hätten es aber nicht mal geschafft, sich als Anheizer für Vormittags-TV-Shows wie „Bube, Dame, Hörig“ durchzusetzen. Nicht weiter schlimm. Früher sagte man, was man werden wollte, wurde 20 Jahre (oder 40 Semester) später etwas ganz anderes und blieb das bis an sein Arbeitslebensende. Man hatte Zeit. Man nahm sich Zeit. Und wenn man keine Zeit hatte, nahm man sich eine Steinkühler-Pause.

Berufswunsch Youtuberin, Spezialgebiet Beautytipps

Heute melden Eltern ihre noch nicht geborenen (oft noch nicht einmal gezeugten) Kinderlein schon für Pekip an, die Musikschule, die Kita, die Grundschule mit umweltorientiertem und bewegungserzieherischem Schwerpunkt, das Gymnasium mit humanistisch-naturwissenschaftlich-sprachlich-künstlerischem Sportmusikprofil, das BWL-Studium mit Schwerpunkt Risikomanagement und Weltunternehmensführung, besorgen ihnen vorab 47 Praktika, 346 Hospitanzen sowie 587 964 Auslandsjobs – und ärgern sich, wenn ihre Kinder mit zweieinhalb immer noch nicht fließend Chinesisch, Swahili und Altniederländisch sprechen. Sondern etwas daherbrabbeln, das sich allenfalls so anhört wie eine gelungene Mischung aus Chinesisch, Swahili und Altniederländisch.

Fragt man Tochter E. heute, was sie werden will, sagt sie: Youtuberin, Spezialgebiet Beautytipps. Möglicherweise, so denkt man als Vater, schafft man das auch ohne Pekip. Und möglicherweise sind die Drogeriemarktbesuche ja doch zu was nütze. Sohn P. antwortet auf die Frage, was er werden will, inzwischen heiter mit: größer. Und schiebt nach: Kameramann oder Regisseur. Läuft womöglich auf eine Kooperation von Tochter E. und Sohn P. hinaus. Und wenn nicht? Passt schon! Wichtiger ist Vater M. zum Ende seiner Kinderkolumnentätigkeit sowieso ein völlig ernst gemeinter Ratschlag an seine (und alle anderen) Kinder: Macht doch, was ihr wollt. Aber wollt, was ihr macht!