Wünschen um des Wünschens willen – darin sind Kinder wahre Weltmeister. Sie lernen ja früh genug, dass das Leben nun einmal kein Wunschkonzert ist, findet unsere Kolumnistin Ulla Hanselmann.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Weihnachten ist vorbei, der Wunschzettel ist abgehakt. Das Christkind war fleißig und hat vieles gebracht von dem, was schon im November mit Buntstiften in Schönschrift auf eine Liste der Begehrlichkeiten gesetzt worden war. Die Agenda war gewissenhaft und kontinuierlich fortgeführt worden, am 23. Dezember wurde der letzte Punkt notiert. Ein iPhone hat der Weihnachtsengel dem Kind zwar nicht beschert, aber damit hat der Achtjährige schon gerechnet und so seinen Realitätssinn bewiesen. Aber probieren kann man’s ja mal – das ist die richtige Einstellung. Bei den „Star Wars Fighter Pods“ hat das Christkind schlapp gemacht, naja, besser gesagt, sein Logistikunternehmen versagt. Das Unglück unterm Tannenbaum war groß. Dabei stand dieser Wunsch ungefähr an vorvorletzter Stelle auf dem Zettel. Aber bekanntlich ist die Sehnsucht nach dem, was einem die Wirklichkeit vorenthält, naturgemäß am größten – davon können Erwachsene ein Liedchen singen. Die wissen es ja längst: Das Leben ist kein Wunschkonzert.

 

Das Christkind hat dann Überstunden gemacht, und als der Mini-Yoda und die anderen kleinen Gummifiguren aus dem Sternenkriegsepos schließlich mit gehöriger Verspätung doch noch eintrudelten, war die Freude unermesslich. Sie schnurrte komischerweise innerhalb kürzester Zeit auf die Größe eines geplatzten Luftballons zusammen. Nun liegen Meister Yoda und Co. in der Regalecke herum und dämmern trübe vor sich hin. Wünschen um des Wünschens willen, in dieser Disziplin sind Kinder einfach unschlagbar. Deshalb hört das große Sehnen ja nicht mit dem Erleuchten des Christbaums auf. Gewünscht wird das ganze Jahr, von morgens bis abends, im Badezimmer („Nie wieder Zähneputzen und trotzdem kein Karies kriegen!“), auf dem Bolzplatz („Und jetzt ein Fallrückzieher wie Ibrahimovic“) bei der Strafarbeit („Meine Lehrerin soll auf dem Mond versauern“). Einen Anlass wie Ostern oder der Geburtstag braucht es gar nicht. Kinder produzieren Wünsche im Akkord und erweisen sich dabei als echte Schwerstarbeiter, und keine Kinderschutzverordnung der Welt könnte das unterbinden. Ein Laptop, ein Riesenteller Panna cotta, ein Hattrick beim Fußballturnier – Wünschen ist ein Dauerzustand. Nur gut, dass viele kindliche Begierden so flüchtig wie Eiskristalle bei Tauwetter sind. Weniger gut, wenn die Vergänglichkeit auch pflegeintensive Lebewesen betrifft. Der Kater beispielsweise, der jetzt zu unserer Familie gehört, war auch einmal ein Wunschobjekt. Nicht, dass das Kind ihn nicht mehr haben möchte. Die beiden sind ein Herz und eine Seele. Aber regelmäßig das Katzenklo reinigen? So groß ist die Tierliebe dann doch nicht.

Beim Wünschen kommen auch Kinder um eine bittere Lektion nicht herum: immaterielle Wünsche lassen sich manchmal viel schwerer erfüllen als materielle. Freundschaften zum Beispiel sind Schwankungen unterworfen. Mal sind zwei ganz dicke, dann sind plötzlich andere Konstellationen attraktiv. Aber das Leben ist eben kein Wunschkonzert, das weiß jetzt auch der Achtjährige. Ein neuer Wunschzettel ist trotzdem schon in Arbeit.