Je geschmackloser und minderwertiger, umso toller. Unsere Kolumnistin hat sich damit abgefunden, dass ihre Kinder am liebsten mit Plastikkram spielen und fragt: „Gibt es eigentlich etwas Langweiligeres als Holzbauklötze!?“

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Stuttgart - Der Sohn hat bald fünften Geburtstag – und Weihnachten kommt ja auch schon wieder. Und der Mann und ich stehen wie jedes Jahr vor der Frage: Schenken wir dem Kind etwas pädagogisch Wertvolles und ökologisch Unbedenkliches – oder etwas, das ihm so richtig gut gefällt. Denn leider schließt das eine das andere meist aus.

 

Vor der Geburt meiner Kinder hatte ich ziemlich klare Vorstellungen, wie ich was machen wollte. Zum Beispiel würden die Kinder jeden Tag frisch zubereitetes Biogemüse essen. Sie würden reine Naturfasern tragen (am besten Wolle-Seide-Bodys), kaum fernsehen (und wenn, dann nur Sandmännchen), nur gute Kinderbücher lesen und natürlich mit Holzspielzeug spielen.

Nur weil er Plastikautos mag, gilt das noch lange nicht für Holzautos

Kaum etwas davon habe ich eingehalten. Manches scheiterte am Geld (Wolle-Seide-Bodys), manches an meiner Faulheit (ich will nicht jeden Tag kochen) oder an meinem Egoismus (eine halbe Stunde Zeitunglesen, während die Kinder fernsehen, ist einfach toll), das meiste an meinen Kindern. Vor allem die Sache mit dem Holzspielzeug.

Mein Sohn fand schon als Baby alles sehr, sehr uninteressant, was aus Holz oder aus Stoff war. Kunstfasern und Plastik hingegen, das war seine Welt, da ließ er sich auch nicht überlisten: Nur weil er zum Beispiel Plastikautos mochte, galt das noch lange nicht für Holzfahrzeuge. Gleiches galt für Tiere und Spielfiguren. Seine Plastikpassion reichte sogar bis zum Mobile. Während er das liebevoll aus Karton, Federn und Holzstücken gebastelte Mobile keines Blickes würdigte, konnte er minutenlang verzückt unter jenem mit den wolpertingerhaften, gruseligen Plastikkreaturen (ein Geschenk!) liegen – und der Mann und ich hatten Zeit, etwas in Ruhe zu essen.

Mit dem schlechten Geschmack der Kinder abgefunden

Bei meiner Tochter ging es gerade so weiter: Während ich versuchte, ihr die geschmackvoll designten Stapelwürfel aus Karton näher zu bringen, spielte sie schon mit einem Jahr lieber mit den Feuerwehrmann-Sam-Spielsachen des großen Bruders, die sich nicht unbedingt durch Kreativität und Qualität auszeichnen. Ihre Holztiersammlung aus nachhaltiger Forstwirtschaft ließ sie für jede Raschelverpackungsfolie und jeden Einwegflaschendeckel liegen und die Bauklötze... Gibt es eigentlich etwas Langweiligeres für Kinder als Holzbauklötze!?

Tatsächlich habe ich mich spätestens seit dem zweiten Kind damit abgefunden, dass (meine) Kinder einen schlechten Geschmack haben, einen Reflex gegen alles, was in Erwachsenenaugen schön, wertig, nachhaltig, gesund und umweltfreundlich ist - und da hab ich noch gar nicht über das Thema Essen und Anziehen gesprochen!

Lieblingsspielzeug: Ein windiger Styroporflieger

Und ich habe gelernt, das Positive darin zu sehen. Zum Beispiel im aktuellen Lieblingsspielzeug meines Sohnes, einem windigen Styroporflieger in Supermanoptik (Materialwert etwa zwei Cent), den er als Geschenk beim Zahnarzt bekommen hat. Aber immerhin schult das Kind damit seine Motorik und lernt Frustrationen auszuhalten, denn das Ding ist nach spätestens zwei Tagen kaputt. Auch dem singenden Plastikschwein meiner Tochter kann ich mittlerweile etwas Positives abgewinnen, wenn das Kind dazu brabbelnd und klatschend durch die Wohnung tanzt.

Nur beim Thema Bücher verfolge ich noch sehr konsequent meinen Erziehungsauftrag. Und es ist auch der Bereich, der mich zuversichtlich stimmt, was die Geschmacksbildung meiner Kinder für die Zukunft anbelangt und dass sich Qualität am Ende doch durchsetzen wird. Denn tatsächlich sind es die tollen Klassiker, derzeit die Lindgren- und Preußler-Bücher, die vor allem meinen Sohn begeistern und die er immer und immer wieder vorgelesen haben will.

Wobei: Neulich kam er mit einem Malbuch (auch pfui, ich weiß) seiner derzeitigen Lieblingsserie Paw Patrol (Sie wollen gar nicht wissen, was das ist!) zu mir und wollte, dass ich ihm die Texte vorlese, die über den Ausmalbildern stehen. Ich las also ziemlich banale Hauptsätze vom Typ „Das ist Fellfreund Rubble. Er fährt einen starken Bagger“ vor. Mein Sohn hörte sich das an – und hat seither nie mehr danach gefragt.

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Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken über Kinder, Kessel und mehr.