Mit neuen Augen sieht ein bayerischer Journalist Stuttgart, seit er erlebt hat, dass man hier Vibratoren als „Stauversüßerle“ verkauft. Und bei Stuggi.TV beginnen die „Sexwochen“. Unser Kolumnist Uwe Bogen befasst sich mit zerplatzten Klischees.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Bei unseren Münchner Freunden von der „Süddeutschen Zeitung“ gibt es eine Kolumne mit dem schönen Titel „Sack Reis“. Autor Kai Strittmatter dachte, darin am vergangenen Samstag bekannt geben zu können, welcher Sack in Stuttgart umgefallen ist. Dann aber hat der Peking-Korrespondent bei seinem privaten Besuch in unseren Breiten erkannt, dass es gar nicht so belanglos wie ein in China umkippender Reissack ist, worauf er im Stuttgarter Westen gestoßen ist.

 

„Seit sie sich grün regieren lassen, sind die Stuttgarter gut im Nicht-Stuttgarter-Überraschen“, teilt Strittmatter der Welt mit. Die Steffi, seine Stuttgarter Freundin, hat ihn zu Frau Blum geführt, zu der „Boutique Erotique“. Dort sind farbenfrohe Schaumstoff- und Stoffkreationen der Künstlerin Justyna Koeke sowie Erwachsenenspielzeug zugunsten eines Projekts versteigert worden, das Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution hilft.

Wenn Klischees zerplatzen

Und wie war’s? Der Korrespondent ertappte bei Frau Blum ein Publikum, das er „in Mehrzahl“ als „gutbürgerliches Normal-Stuttgart“ beschrieb, beim Bieten für eine „Ejakulat-Wandskulptur“, für einen „Kaktuspimmel zum Umhängen“ und für den „Vibrator Dolly“, der handtaschentauglich als „Stauversüßerle“ angepriesen wird. Kai Strittmatter freute sich: „Klischees sind am tollsten, wenn sie einem vor der Nase zerplatzen.“

Wums! Knall! Das Stuttgart-Klischee ist vor den Augen des bayerischen, meist in China tätigen Journalisten bonbonbunt zerplatzt! Alles gut. Wir Stuttgarter sind’s gewohnt, dass uns Auswärtige notorisch falsch einschätzen. Da stehen wir drüber, weil wir wissen, wie wir sind. Aber hören Sie, Herr Strittmatter, in Kürze beginnen die „Sexwochen“ des Internetsenders Stuggi.TV. Darauf freut sich bei uns manch einer, als seien die so schön wie Sex selbst. Wenn das nicht die nächste Kolumne „Sack Reis“ von allein füllt!

Selbstbefriedigung in der Partnerschaft

Liebe Leserinnen und Leser, spüren Sie’s schon? Es liegt was in der Luft! Sollte es bald erneut heiß werden, könnte es nicht nur an Frau Blum oder an Hocheinflüssen liegen. Denn beim Online-Sender Stuggi.TV starten am 14. August zum vierten Mal die Sexwochen. Von Anbeginn lässt dies die Blogger von Kessel.tv jubeln, wo man sich zu den „größten Fans der Sexwochen“ zählt. Und das, obwohl es auf der Website von Kessel.tv als Seitenhieb in dicken Lettern heißt: „Wir leben in Stuttgart. Nicht in Stuggi.“

Gut, die Sexwochen sind nur noch Sextage. Sie enden bereits nach fünf Tagen, also am 18. August. Aber wie uns die Sexperten einbläuen wollen, kommt es nicht auf die Länge an, sondern auf die Intensität. Unter Mangel an intensiven Themen leiden die jungen Macher des Online-Programms nicht. Das Spezialprogramm im Sommer beschert Stuggi.TV stets Klickrekorde. Die Themenwahl der auf fünf Tage verkürzten „Sexwochen“ zeigen den Älteren stets, was junge Menschen in ihrer Sexualität umtreibt, also auch Eltern, was ihre Kinder möglicherweise tun.

Zu den Themen in diesem Sommer zählen „Selbstbefriedigung in der Partnerschaft“, „Nacktbilder in der Beziehung“, „Spirale, Pille und Co.“ sowie „Mädelsabend mit Dildoparty“. Keine Ahnung, ob bei diesem „Mädelsabend“ Dolly, das „Stauversüßerle“, dabei ist.

Falls der Verkehr zum Erliegen kommt

Bei uns in Staugart braucht man halt was zum Versüßen, wenn nix mehr geht, wenn der Verkehr zum Erliegen kommt.

Wer weiß, ob man in China bei unwichtigen Ereignissen irgendwann mal sagt, dies sei so bedeutend wie eine ratternde Dolly im Stau von Stuttgart.