Schwedens Superstar Zlatan Ibrahimovic ist ein Garant für dicke Luft. Beim WM-Qualifikationsspiel am Dienstagabend in Stockholm fehlt er. Prompt ist die Luft raus, meint Oskar Beck.

Stuttgart - Irgendwas fehlt. Irgendwie ist alles nicht wie erhofft. Von einem turbulenten Abend haben viele geträumt, womöglich wieder von einem verrückten Vier-Vier wie im Berliner Hinspiel. Ibrakadabra, dachten alle, wird für den nötigen Zauber schon sorgen. Und womöglich für dicke Luft. Und nun das: Luft raus.

 

Der große Knaller wird das nicht am Dienstagabend. Dass die Schweden ein Einmannteam sind, wusste jeder – aber seit gestern wissen wir nun, wie es sich vollends anfühlt, wenn der eine Mann auch noch fehlt. Als wir mit dem Arlanda Express vom Stockholmer Flughafen in die Stadt fuhren, saß vis-à-vis im Zugabteil ein Wikinger, der wie ein Fußballfan aussah, und wir fragten ihn, ob er heute ins Stadion geht. „Ohne Zlatan?“, sagte er und winkte er ab.

Zlatan Ibrahimovic hat sich, wie so oft, daneben benommen, letzten Freitag, gegen die Österreicher. Mit seinem Tor hat er das Spiel noch geschwind entschieden und die Schweden in die WM-Play-off-Runde geschossen, doch dann: Gelbe Karte, letzte Minute, gesperrt. Sein Fehlen schadet dem Spiel heute Abend mehr als die Anwesenheit vieler anderer. „Ohne Ibra?“, sagt lustlos auch der Zimmerkellner im Scandic-Hotel. Nein, da fällt ihm doch was Besseres ein. Lieber liest er ein gutes Buch, ja womöglich sogar das Beste, das die heimische Bestsellerliste momentan zu bieten hat: „Ich bin Zlatan.“

Auch in Deutschland schlägt das Buch Wellen

Wir kennen das Buch. Auch in Deutschland schlägt es Wellen, denn der torgefährlichste Schnösel der Welt sagt darin über den Bayern-Trainer Pep Guardiola, unter dem er früher in Barcelona fast Gallensteine bekam: Pep ist kein Mann. Pep ist feige. Keinen Arsch in der Hose, auf jeden Fall aber keine Eier. Und Guardiolas philosophische Kabinenansprachen waren, sagt Ibra, „Scheiße für Fortgeschrittene.“ Wie reagiert man auf so was?

Richtig: Eigentlich gar nicht. Und für ungefähr zwei Minuten hat es tatsächlich so ausgesehen, als würde Kalle Rummenigge kein Wort dazu sagen – aber dann hat es der Bayern-Chef doch nicht übers Herz gebracht, die Sache auf sich beruhen zu lassen, sondern gemeint: „ Dummheit gehört zur Persönlichkeitsentfaltung jedes Menschen.“

Danach wäre dann um ein Haar sofort wieder Ruhe eingekehrt, doch gerade noch rechtzeitig ist Uli Hoeneß eingefallen, dass er noch gar nichts dazu gesagt hat, also ließ er sich über die Diva Ibra mit dem garstigen Herrschaftswissen zitieren: „Kein Verein ist mit ihm glücklich geworden. Er will nur davon ablenken, dass er bei vielen gescheitert ist. Er kam jeweils als Heilsbringer und ging als Problembär.“ Was nicht ganz richtig ist, ja fast sogar grottenfalsch. Denn in den letzten zwölf Jahren ist Ibrahimovic nur zweimal nicht Meister geworden, egal, wo er spielte, Ajax, Juve, Inter, Milan, Barcelona, Paris St. Germain, und als Zugabe wurde er häufig noch Torschützenkönig.

Wer hält eigentlich noch die Klappe?

Irgendeiner hat ihm das mit Hoeneß dann letzte Woche gesteckt, und Ibra hat getan, was ihm sein Getto-Gen in solchen Momenten befiehlt – für einen Ellbogencheck war der Bayern-Präsident zu weit entfernt, also hat der Schwede mit den zündenden Worten zurückgeschlagen: „Ich würde Hoeneß nicht als Steuerberater nehmen.“

Ach, wie lustig hätte die Fortsetzung jetzt in Stockholm werden können, so manches Brikett hätte Zlatan vor den deutschen Mikrofonen womöglich noch ins Feuer gelegt, und nun das. Funkstille. Schweigen im Walde. Das muss der Sportfan erst mal verkraften. Denn der Fan ist verwöhnt. Ein Tag ohne Streit ist im großen Sport inzwischen ein verlorener Tag. Krachen und knistern muss es, und wie es geht, hat die Formel 1 neulich vorgemacht. Sebastian Vettel erklärte seinen Erfolg so: „Wir arbeiten, wenn andere die Eier in den Pool hängen lassen.“ Worauf Nico Rosberg ihm riet, sich um seine eigenen Eier zu kümmern.

Auch die Twitter-Schlacht zwischen den Komikern Oliver Pocher und Boris Becker war neulich für Hartgesottene. Um Sandy ging es, die Ex von beiden. Kein gutes Haar ließ Bumm-Bumm an ihr, worauf ihn Pocher zwar nicht als Dumm-Dumm beleidigte, aber doch wenigstens als aufgedunsenen Durstigen. Gar nicht enden wollte dieser D-Day des Duellanten: derb, deftig, dämlich, doof.

Der Klügere gibt nach

Bei Lothar Matthäus ging neulich Post ab mit Unterhaltsforderungen, doch der Brief kehrte zurück ans Amtsgericht München mit dem Vermerk „Empfänger verstorben“ – statt den Irrtum still hinzunehmen, wie es sich für einen Toten gehört, wetterte Loddar sofort in Richtung Briefträger: „Eine Frechheit. Jeder kann sehen, dass ich noch lebe, ob im Fernsehen, auf dem Fußballplatz oder sonst wo.“ Der Klügere gibt nach, dachte der Briefträger – und schwieg. Soviel Vernunft ist selten. In der Regel fliegen die Fetzen. Als beim Confed-Cup in Brasilien die Menschen demonstrierten, meckerte der große Ronaldinho, bei einer WM gehe es nicht darum, zusätzliche Krankenhäuser und Straßen zu bauen, sondern Stadien – worauf ihn der Dichter Paulo Coelho für nicht mehr ganz dicht erklärte und bat: „Halt den Mund.“ Aber das will einfach keinem gelingen. Der Bayern-Torjäger Thomas Müller war neulich weltweit so ziemlich der Erste, als er sagte: „Ich muss nicht auch noch meinen Senf dazugeben.“

Das war, als die Bayern damit anfingen, sich versuchsweise erstmals im Dreieck die Meinung zu sagen. Auslöser war der Sportdirektor Sammer, der der Mannschaft „Fußball ohne Emotionen“ vorwarf, worauf sein Präsident Hoeneß erwartungsgemäß nicht schwieg („Man hat den Eindruck, als ob wir von fünf Spielen drei verloren und zwei unentschieden gespielt hätten“). Als sich dann auch Kapitän Lahm mit einem Seitenblick auf Sammer einmischte, verpasste sich Hoeneß erneut keinen Maulkorb, sondern sagte: „Ich würde Philipp Lahm empfehlen, in Zukunft direkt mit Sammer oder mit uns so etwas auszumachen.“ So wäre das Ping-Pong vermutlich noch ein Weilchen weitergegangen – aber dann hat Ibrahimovic sein Guardiola-Fass aufgemacht. Und nun das: Wo es spannend wird, fehlt er.

Wer hält den Krach am Leben? Guardiola kann man vergessen. Vor ein paar Tagen hat ein pfiffiger Medienmensch noch versucht, den Spanier in den Schlagabtausch einzubinden, doch der hat nur desinteressiert gesagt: „Es gibt wichtigere Themen, als über Zlatan nachzudenken.“

Das ist zwar zweifellos richtig - aber was soll jetzt bloß aus dem Spiel heute Abend in Stockholm werden?