Gehört das Regal einer Videothek bald ins Stadtmuseum? In wenigen Tagen schließt der Großverleih Empire in Zuffenhausen. Uwe Wischnewski indes widersetzt sich in Gablenberg dem Trend. Ein Abgesang von unserem Kolumnisten auf schöne Filmabende.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Erinnern Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, an „Schokolade zum Frühstück“, „American Beauty“ oder „Night on Earth“? Kassetten mit diesen Titeln haben wir uns nach einer harten Arbeitswoche gern in der Videothek um die Ecke geholt, um am Wochenende einen schönen Abend mit einer Tüte Chips auf dem Schoß zu verbringen.

 

Hollywood fürs Sofa, Träumen und Schmachten, ohne aufbrechen und sich fürs Kino fertig machen zu müssen. Ein Videoabend daheim – das war vor über 15 Jahren ein Synonym für Gemütlichkeit, Ausruhen, fürs Kuscheln im Pyjama, Eintauchen in andere Welten, rundweg fürs Glücklichsein.

Die 1990er waren die besten Jahre des Filmverleihs. Michael Steck besaß damals fünf Videotheken und konnte sicher sein, dass sich für ihn die Arbeit bis in den späten Abend – nur sonntags war Ruhetag – lohnte.

Internet killed the Video-Star

Am 1. Oktober schließt Steck das Empire in Zuffenhausen, seine letzte Videothek, die er auf 800 Quadratmetern mit Filmen auf DVD und Blue Ray betrieben hat. Das einstige Video-Imperium ist endgültig zerstört.

Internet killed the Video-Star.

Alles muss raus. Zehn Filme im Paket gibt’s in den letzten Empire-Tagen für 19 Euro. Wie tief sind die Preise gestürzt! Einst musste er 300 D-Mark für einen neuen Film bezahlen – und hat unterm Strich doch viel mehr als heute verdient.

Vor 25 Jahren gab es über 8000 Videotheken in Deutschland. Ende 2015 zählte der Interessenverband des Videofachhandels nur noch 1186. Wenn sich Michael Steck in Kürze für immer von Zehntausenden DVD-Scheiben trennt und danach „eine Indoor- 3D- Schwarzlicht-Minigolfhalle“ im einstigen Empire eröffnet, wird in Stuttgart nur noch Uwe Wischnewski als letzter Mohikaner des Filmverleihs mit Vidirent in Gablenberg übrig bleiben. „Dies kann ich nur, weil ich ein zweites Standbein habe“, sagt er. In seinem Laden sind nicht nur Filme im Angebot, sondern auch Duftkerzen – auch im Online-Versand.

Man könnte Wischnewskis Kerzen zum Tod der vielen Videotheken anzünden, die keine Chance gegen die Konkurrenz aus dem Netz hatten. Spiel mir das Lied vom Tod der Videotheken! Eine Ära endet – nicht zum ersten Mal. Um die Jahrtausendwende war die VHS-Kassette nach 20-jähriger Vorherrschaft von der digitalen DVD abgelöst worden. Jetzt ersetzt Streaming im Internet das Stöbern in den Videotheken, die auch noch so hießen, als längst Silberscheiben die VHS-Ware besiegt hatten.

Zuletzt hielten ihn Pornos übers Wasser

Empire-Betreiber Michael Steck empfindet keine Trauer, weil es nun vorbei ist. Am meisten ärgert er sich über die Hacker und die Verbreiter von illegal heruntergeladenen Filmen. „Selbst bei mir an der Theke hat man sich darüber unterhalten, wie man verbotenerweise kostenlos an Filme kommt“, berichtet er. Seine Klage: „Es gibt kein Unrechtsbewusstsein mehr.“ Dies wirke sich negativ auf die Produktion neuer Filme aus. Weil den Produzenten viel Geld aus dem Ausleihgeschäft entgeht, fehlen die Mittel, um Experimentelles zu wagen. Nur mögliche Blockbuster haben eine Chance – Filme in Nischen tun sich noch schwerer.

Zuletzt hat sich Empire vor allem mit Pornos über Wasser gehalten. Die Kundschaft waren Männer Ü 40. Die Jungen kommen schon lange nicht mehr – sie wissen, wie man sich über YouPorn bedient. „Das Fernsehgerät spielt für junge Menschen keine Rolle mehr“, sagt auch Uwe Wischnewski von Vidirent. Über das Smartphone und den Laptop werden Filme konsumiert.

Michael Steck hat genug von Porno-Konsumenten: „Da kam manch einer in den Laden, hat vier Stunden lang Tausende von Covern betatscht und nichts gekauft.“

Wischnewski wird in der „Erwachsenenabteilung“ weiterhin die entsprechende Nachfrage bedienen. Die Stammkundschaft verlangt nach neuer Ware. Jeden Monat gibt es deshalb bei Vidirent 70 bis 90 neue Titel. Schaut sich der Chef die Filme an, die er sich kauft? „Aber nein“, antwortet er, „wir haben Abos von Filmverleihfirmen.“

Die schönen Abende mit Schokolade zum Frühstück sind Vergangenheit. Oder wird es eines Tages wie bei den Schallplatten ein Comeback der DVDs geben?

Zu den Filmschnorrern, die sich Illegales anschauen, also das Ergebnis kreativer Arbeit klauen, wollen wir nicht gehören!

Danke, liebe Videothekare, fürs betreute Filmschauen über Jahre! Schade, dass ein Stück Kulturgut bald nur Geschichte ist.