Mit Demos auf der Straße haben es die Brasilianer nicht so – es marschieren auch jetzt vor allem die Gringos.

Rio de Janeiro - Die Zeiten haben sich geändert, und wie. Seit dem Umweltgipfel von Rio vor zwanzig Jahren sind zum Beispiel die Wand- und Dachverkleidungen im Riocentro, dem Konferenzort, ausgewechselt worden. Dass sie aus Asbest waren, wussten die Staatschefs damals glücklicherweise nicht. Historischen Wert hat auch das Schwarz-Weiß-Foto von damals, auf dem ein zwanzig Jahre jüngerer, vollbärtiger Lula vor einem so genannten Lügen-Messgerät steht. Der spätere Präsident war damals noch ein wortgewaltiger Kritiker des kapitalistischen Wachstums, der der damaligen Regierung genussvoll ihre Umweltsünden um die Ohren haute. Später sah er die Welt dann etwas anders und haute den Umweltschützern verdrießlich um die Ohren, dass sie das Wachstum – das Adjektiv „kapitalistisch“ war ihm da längst schon abhanden gekommen – bremsten.

 

Natürlich wandelt sich die Welt in zwanzig Jahren, und in Rio hat sie sich zum Besseren geändert. Zum Beispiel die Sicherheitslage: Heute schützen 15 000 Sicherheitskräfte den Gipfel, und zwar vor allem vor terroristischen Angriffen. Nicht, dass diese Notwendigkeit eine besonders schöne Zeiterscheinung wäre, aber es ist immerhin die Normalität in unserer heutigen Welt. Damals dagegen herrschte ein brasilienspezifischer Ausnahmezustand: Die Polizei fürchtete, die Drogen-Mafia könnte losschlagen. Die Gefahr kam von den mit Favelas überzogenen Hügeln über der Stadt, dachte man. Während der Konferenz blieb es zwar ruhig. Aber es gab Zeiten, in denen die Drogenbarone durchsetzen konnten, dass stadtviertelweise die Geschäfte schließen. Oder in denen sie massenhaft Omnibusse anzünden lassen konnten.

Regelung des Verkehrs bei Demos

In Rio und in anderen Städten marschiert die Polizei in kritische Viertel ein und vertreibt die Drogen-Händler, und vor allem: Sie bleibt. Ihr folgen die sozialen Dienste der Stadt und des Staates, die sich früher nicht einmal getraut hatte, ihren Fuß in diese Viertel zu setzen. Dass die Drogen-Mafia ausweicht, dass das Problem nur in die Vororte oder Nachbarstädte verschoben wird, jaja, das ist ein berechtigtes Argument. Aber dennoch, Rio ist eine deutlich sicherere Stadt geworden.

Die vielen Polizisten sind dieser Tage mit einer Aufgabe beschäftigt, mit der ihre Kollegen aus Berlin, Brüssel oder Barcelona wohl vertraut sind, die aber in Brasilien nicht allzu oft anfällt: Mit der Regelung des Verkehrs bei Demonstrationen. Denn auf die Straße gehen und protestieren, damit haben es die Brasilianer nicht so sehr, und auch jetzt sind es eher die Gringos, die durch Rios Straße marschieren. Dass Globalisierung die Welt uniformer macht, gehört zur Standardkritik. In diesem Falle bedeutet sie eine erfreuliche Normalisierung für Brasilien.