Das Riocentro, in dem sich ab Mittwoch die Staatschefs treffen, liegt nur eine gute Stunde mit dem Bus vom Flamengo-Park entfernt, in dem der „Gipfel der Völker“ tagt. Nicht allzu weit also, und doch liegen Welten dazwischen.

Rio de Janeiro - Das Riocentro, in dem die Unterhändler um jeden Halbsatz feilschen, bevor am Mittwoch die Staatschefs kommen, liegt eine gute Stunde mit dem Bus vom Flamengo-Park entfernt, in dem der „Gipfel der Völker“ tagt. Nicht allzu weit also, und trotzdem liegen Welten dazwischen. Die einen verhandeln bei Klimaanlagen, die anderen in Zelten unter schattigen Bäumen. Anzugträger verirren sich so selten in den Park wie Jeansträger ins Riocentro, und das Durchschnittsalter beider Lager liegt geschätzte zwanzig Jahre auseinander. Aber den größten Unterschied macht das Denken aus. Was im Park debattiert wird, sind für das Riocentro-Volk wohl meist Sandkasten-Spiele, und in Flamengo herrscht der Verdacht, dass im Riocentro nichts weniger als der Ausverkauf der Welt verhandelt wird.

 

Insofern wagte sich Achim Steiner, der Chef des UN-Umweltprogramms Unep, in die Höhle des Löwen, als er am Samstagabend zu einer Diskussion im Flamengo-Park erschien. Steiner ist einer der Wortführer des Grünen Wirtschaftens, die weniger Ressourcen aus dem Boden holen und weniger Klima-Killer in die Atmosphäre pusten soll. Und das soll durch technische Innovation bei denen geschehen, die für die Produktion verantwortlich sind, also den Unternehmen.

Zehn zu eins

Er saß inmitten von zehn der anderen Seite, und die gaben, mal kürzer und mal länger, mal hitziger und mal gelassener, ihre ganz andere Sicht der Welt zu Protokoll. Grüne Wirtschaft, sagt ein Vertreter von Südamerikas Indianer-Völkern, sei für ihn, wie die Indianer-Völker seit eh und je leben, nicht die Vermarktung von CO2-Krediten. Grüne Wirtschaft, so hielt eine Podiums-Teilnehmerin Steiner vor, sei nur eine neue Form der altbekannten Aneignung der Welt. Je knapper die Ressourcen, desto teurer würden sie, und das sei schließlich im Interesse der Aneigner. Und generell, wenn die ungleichen und ungerechten Grundzüge der Weltwirtschaft nicht angetastet werden sollen, warum das dann auch noch grün anstreichen?

Zehn zu eins, irgendwie gemein, dachte man, bevor Steiner das Wort ergriff. Wie das jeder Redner in so einer Situation tun würde, hat er erstmal das Gemeinsame hervorgehoben: Die Frustration über all das seit 1992 nicht Erreichte. Und dass Grünes Wirtschaften auf eine Art Super-Neoliberalisierung hinauslaufe, stritt er entschieden ab. Er sei sehr dafür, den Märkten Zügel anzulegen; das Amazonasgebiet sei ja eine „dramatische Illustration“ für zügellose Marktwirtschaft. „Warum“, fragte er fast ein bisschen ratlos in die Menge, „setzt ihr Grüne Wirtschaft in eurer Kritik mit der Ökonomie der Vergangenheit gleich?“

Auch Steiner erhielt Applaus, ebenso wie seine Gegner. Ob er überzeugt hat? Ob er überzeugt wurde? - Immerhin, die beiden so verschiedenen, so getrennten Welten in Rio de Janeiro waren kurz mal verbunden – durch Argument und Austausch, durch Zuhören und Debattieren. So wie es sein soll.