Die Natur ist trotz aller Technik dem Menschen eben doch überlegen und kann ihm immer wieder seine Grenzen aufzeigen. Das tut nun eine simple Aschewolke.

Stuttgart - Wenn ein Vulkan rotglühende Lava spuckt oder schwarze Aschewolken in den Himmel schickt, dann sind das faszinierende Ereignisse. Als interessierter Europäer konnte man solche Bilder bisher ziemlich entspannt am Fernseher bewundern - schließlich pflegen derartige Naturschauspiele irgendwo am anderen Ende der Welt stattzufinden. Ausnahmsweise mag der Ätna auf Sizilien einen Lavastrom einmal ein bisschen weiter zu Tal schicken als üblich. Oder im fernen Island rumort ein Feuerberg. Aber das war es dann auch schon.

Doch nun schafft es ein isländischer Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen Eyjafjallajökull, das moderne Europa bis ins Mark zu erschüttern. Glücklicherweise nicht, weil seine Aschewolke eine große Gesundheitsgefahr darstellen würde oder weil der Ausbruch zahlreichen Isländern das Leben gekostet hätte - das wäre dann eine wirkliche Katastrophe. Nein, die Wolke aus feinsten Lavapartikeln und anderen irdischen Staubteilchen ist "nur" Gift für die Flugzeuge, deren Motoren und Cockpitscheiben. So ist der Luftraum über einem großen Teil Europas gesperrt worden. Die Flieger müssen am Boden bleiben, Hunderttausende von Fluggästen sitzen fest, und Europas politisches und wirtschaftliches Leben wird völlig durcheinandergewirbelt.

Hätte jemand dieses Szenario noch vor wenigen Tagen verkündet, er wäre wohl als spleeniger Schwarzmaler verlacht worden. Nun aber ist es eingetreten. Und das Beängstigende daran ist: niemand kann sagen, wie lange die Flugzeuge am Boden bleiben müssen. Selbst wenn sie wieder über Europa ihre wohlgeordneten Bahnen ziehen dürfen, ist noch lange nicht sicher, ob sich der gigantische Stillstand nicht vielleicht in ein paar Tagen oder Wochen wiederholt.

Der Mensch kann nur klein beigeben


Zum Hunderte von Millionen Euro teuren Schaden, den dieser flächendeckende Ausfall im Flugverkehr verursacht, mag bei vielen verhinderten oder gestrandeten Reisenden die Wut auf den isländischen Vulkan kommen, der gerade jetzt ausbrechen muss. Und auf den Umstand, dass just zu diesem Zeitpunkt starke Winde aus Nordwesten wehten und den Staub über Europa verteilten. Auch ein gewisser Frust dürfte sich breitmachen, dass unsere hochmodernen Düsenjets von winzigen Aschepartikeln so einfach lahmgelegt werden können. Doch in solche Bitterkeit mag sich bei dem einen oder anderen die Erkenntnis mischen, dass die Natur trotz aller Technik dem Menschen eben doch überlegen ist und ihm immer wieder seine Grenzen aufzeigen kann. Das tun Erdbeben und Tsunamis, das tun Stürme und Hochwasser. Und das tut nun auch eine simple Aschewolke - auch ohne unmittelbar Menschenleben zu fordern.

Es kann nicht schaden, wenn sich zu dieser Einsicht eine gewisse Demut gesellt: Da gibt es etwas, das stärker ist als der Mensch - und dem er nichts entgegenzusetzen hat, außer klein beizugeben. Denn mit Technik ist einer solch gigantischen Aschewolke nicht beizukommen. Und aschesichere Flugzeuge zu bauen wäre vielleicht technisch möglich, aber wirtschaftlich völlig unsinnig. Man kann der Gefahr eigentlich nur ausweichen oder die Flugzeuge besser gleich am Boden belassen.

Manch einen dürfte die gespenstische Ruhe am Himmel zu noch weiter gehenden Gedanken anregen. Ein solcher Vulkanausbruch samt seinen möglichen Folgen war nun wirklich nicht unvorhersehbar. Und dennoch hat kaum ein Mensch damit gerechnet, dass er einen wichtigen Teil unserer Industriegesellschaft, nämlich den Flugverkehr, so gnadenlos in die Knie zwingen kann. Was, so mag man sich fragen, kann in Zukunft noch alles passieren, wenn die Natur dem Menschen zeigt, dass sie stärker ist als er? Da ist dann der Gedanke etwa an die Folgen der großflächigen Vernichtung von Urwäldern oder - noch globaler - den Klimawandel nicht mehr allzu weit.