Das Wirtschaftswachstum in China schwächt sich ab – und die Regierung nimmt es hin. Das ist ein Bekenntnis zu den Regeln der Marktwirtschaft, meint der StZ-Wirtschaftsredakteur Klaus Dieter Oehler. Und er sieht noch mehr Positives.

Frankfurt - Viele Experten hatten es schon befürchtet. Und jetzt hat es die Regierung bestätigt: Das Wirtschaftswachstum in China schwächt sich deutlich ab. Der Konjunkturmotor der Weltwirtschaft stottert. Doch das ist kein Grund, in Panik zu verfallen. Zum einen sind sieben Prozent plus, wie die Regierung in Peking jetzt für das laufende Jahr vorhersagt, immer noch ein beachtlicher Zuwachs, von dem die westlichen Industrienationen nur träumen können. Zum anderen werden Zuwachsraten schon aus rein mathematischen Gründen kleiner, wenn die Basis größer wird. Vor allem aber ist der Politikwechsel, der zu dieser Abschwächung führt, positiv.

 

Peking will ein nachhaltiges Wachstum, will verhindern, dass eine Kreditblase platzt oder gar das noch nicht ausreichend strukturierte Finanzsystem zusammenbricht. Die alte chinesische Regierung hatte noch nach sozialistischem Muster eine bestimmte Wachstumsrate vorgegeben. Wenn diese Ziele nicht erreicht wurden, wurde mit allen Mitteln versucht, die Wirtschaft anzukurbeln, gleichgültig, ob das immer die beste Wahl war. Die neuen Machthaber legen dagegen mit der Tolerierung eines schwächeren Wachstums ein klares Bekenntnis zu den Regeln der Marktwirtschaft ab.

Chinas Volkswirtschaft stößt an Grenzen

Für das langfristige Wachstum der Weltwirtschaft ist dies wichtiger als eine überhitzte Volkswirtschaft, die als Absatzmarkt für die entwickelten Industrienationen zwar hochwillkommen ist, deren Zusammenbruch aber aufgrund der inzwischen erreichten Größe Chinas eine Katastrophe wäre. Auch Chinas Volkswirtschaft stößt bereits an die ersten Grenzen. Diejenigen Industrieunternehmen, die vor allem auf eine billige Produktion setzen, wandern bereits in andere asiatische Länder ab, in denen die Löhne und auch die Sozialstandards noch niedriger sind. Das mag aus betriebswirtschaftlicher Sicht des einzelnen Unternehmens noch vertretbar sein, aus umweltpolitischen, sozialen und auch aus volkswirtschaftlichen Gründen bringt es aber mehr Risiken als Vorteile mit sich.

Natürlich wird die Abschwächung des chinesischen Wachstums auch dazu führen, dass die Weltwirtschaft insgesamt langsamer wächst, weil es derzeit nur wenige Regionen auf der Welt gibt, die diese Lücke füllen können. Besonders für die südeuropäischen Krisenländer wird es noch schwerer, aus der aktuellen Rezession herauszukommen. Doch gerade die deutsche Wirtschaft kann vergleichsweise zuversichtlich nach vorn blicken.

Die Karawane zieht weiter – in andere Länder

Zwar sind die deutschen Unternehmen in hohem Maße vom Export abhängig, was hin und wieder auch von Kritikern bemängelt wird, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass gerade die deutschen Exportunternehmen gut in der Lage sind, sich auf das veränderte Geschehen in der Welt einzustellen. Die deutschen Autobauer etwa, angefangen bei Volkswagen, waren schon früh in der Volksrepublik vertreten und fahren dafür heute die Ernte ein.

Es war klar, dass das Wachstum auch in China nicht immer so weitergehen kann. Dennoch wird die Volksrepublik auch in Zukunft noch einer der wichtigsten Märkte für die Weltwirtschaft sein, schon allein wegen ihrer Größe. Doch die Karawane zieht weiter. Andere südasiatische Staaten, dazu Brasilien, Russland oder die Türkei stehen längst im Fokus der Wachstumsstrategie internationaler Konzerne. Aber auch in diesen Märkten wird es darauf ankommen, das Wachstum in geordnete Bahnen zu lenken. Eine unsolide Haushaltspolitik, aufgeblähte Finanzsektoren und ungesunde Wirtschaftsstrukturen sind auf Dauer ebenso gefährlich wie Korruption oder Misswirtschaft. Diese Erkenntnisse hat die aktuelle Krise gerade in Europa deutlich aufgezeigt. Es ist daher gut, wenn die Regierung in Peking frühzeitig Fehlentwicklungen entgegenwirken will.