Die Landesregierung will nun doch schon 2016 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen. Finanzminister Schmid setzt sich durch, das Verhältnis zu seinem Ministerpräsidenten aber ist gestört, kommentiert der StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - Der „kleine Nils“ wird erwachsen. Nach drei Jahren in der undankbaren Rolle des Juniors ist es dem baden-württembergischen Finanzminister Nils Schmid erstmals gelungen, in einer wichtigen landespolitischen Frage die Meinungsführerschaft zu erringen – und sich am Ende auch gegen den Ministerpräsidenten durchzusetzen. Nicht erst im Jahr 2020, wie einst zwischen Grünen und SPD vereinbart, sondern bereits 2016 will die Koalition auf neue Schulden verzichten. Wenn es gut läuft, auch in den Jahren danach.

 

Und schon 2015 wird die Kreditaufnahme um 300 Millionen Euro verringert. Letzteres ist der Sparbeitrag der Grünen um Regierungschef Winfried Kretschmann, die es in der Vergangenheit zu einer großen Meisterschaft in der Rhetorik des sparsamen Haushaltsgebarens brachten. Als aber der Finanzminister von der SPD zur Tat schritt, ließen sich sich – freundlich formuliert – auf dem falschen Fuß erwischen. Haushaltspolitisch stehen die Grünen, wenn nicht nackt, so doch ziemlich spärlich bekleidet da.

Kretschmann fühlt sich überrumpelt

Dabei konnte Nils Schmid gar nicht anders. Der Finanzminister verfügt über 3,2 Milliarden Euro Liquidität in der Kasse. Manche Risiken in der Finanzplanung steigen, andere aber entfallen. Gerade erst schuf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Beamtenrecht neuen Spielraum. 400 Millionen Euro werden dadurch in den kommenden zwei Jahren zusätzlich disponibel. Kein Mensch – übrigens auch nicht Winfried Kretschmann, säße er noch in der Opposition – könnte auch nur einen Schimmer von Verständnis zeigen, ließe Grün-Rot dieses Geld im Speicher verschimmeln und bediente sich weiterhin fröhlich am Kreditmarkt.

Die Adoleszenz ist eine schwierige Zeit, und auch die Wandlung vom „kleinen Nils“ – diese Invektive brachte einst der FDP-Mann Hans-Ulrich Rülke auf – zum erwachsenen Nils: diese Metamorphose verläuft offenbar nicht ohne die alterstypischen Auffälligkeiten. Noch bei der Verkündung des neuen Nullverschuldungskurses am Mittwoch monierte Regierungschef Kretschmann die Art und Weise, wie sein Vize den Vorstoß vor vier Wochen platziert hatte. Formal lief alles korrekt: Schmid informierte Kretschmann und die Koalitionsspitze, tags darauf trug er seinen Plan dem Kabinett vor, am nächsten Morgen stand die Sache in der Zeitung. Kretschmann fühlte sich dennoch überrumpelt. Tatsächlich verriet Schmids schnelle Taktfolge die Bereitschaft zum rabiaten Handeln und eine gewisse Tendenz zur Überwältigung des Koalitionspartners.

Das Verhältnis ist nachhaltig gestört

Das kam bei Kretschmann schlecht an. Der Regierungschef neigt wenig zu schnellen Entschlüssen und hält gerne am einmal eingeschlagenen Kurs fest. Dieser Mangel an Spontaneität und Spritzigkeit, gepaart mit Beharrlichkeit und Verlässlichkeit, zeitigt gute und schlechte Folgen. Im vorliegenden Fall eher negative, erweckte Kretschmann doch den Verdacht, dass er den Vorschlag seines Stellvertreters vor allem deshalb wegzudrücken versuchte, weil er eben von Schmid kam – und nicht von ihm selbst. An der Chefrolle hat Kretschmann inzwischen Geschmack gefunden, andere bei den Grünen auch. Doch in einer Koalition zweier ähnlich starker Parteien muss man auch gönnen können. Daran hakt es. Das Verhältnis zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem Vize ist nachhaltig gestört. Gut war es schon bisher nicht. Und Kretschmann kann nachtragend sein.

Natürlich ist es kein Zufall, dass Schmid die Verschuldung ausgerechnet in einem Wahljahr auf Null fährt. Derlei gehört zur Gestaltungsmacht einer Regierung. Wichtiger ist der Hinweis, dass Grün-Rot die Nullverschuldung in weiten Teilen der guten Konjunktur verdankt. Der Landeshaushalt ist durchaus noch nicht in einem Zustand, der auch in weniger prächtigen Zeiten den Verzicht auf Schulden garantiert.