Die Stadt und die Kirchen sind bei der Kinderbetreuung auf Kooperation angewiesen. Daher ist von beiden Seiten die Bereitschaft zum Kompromiss gefragt, meint der StZ-Redakteur Thomas Braun.

Stuttgart - Was vordergründig wie ein Streit um Glaubens- und Sittenfragen anmutet, ist in Wahrheit ein Streit übers Geld. Anders lässt sich der Antrag der Ratsfraktionen nicht verstehen, in dem alle Freien Träger, vor allem aber die kirchlichen Einrichtungen, aufgefordert werden, endlich ihre Einstellungs- und Beschäftigungskriterien zu liberalisieren. Nur dann, so liest man heraus, wäre die Stadt bereit, ihre Förderung aufzustocken. Dieses Junktim dürfte allerdings für die Kirchen unannehmbar sein.

 

Es muss einem weiß Gott nicht gefallen, aber die christlichen Kirchen haben sogar gemäß EU-Richtlinie das verbriefte Recht, ihr Personal nach eigenen Kriterien auszuwählen. Ob die Maßstäbe im Vergleich zu städtischen Einrichtungen so rigide sein müssen, darf allerdings hinterfragt werden. Dass Muslime selbst von Aushilfstätigkeiten in evangelischen Kitas grundsätzlich ausgeschlossen sind, ist bei einer Kirche, deren Gründer Martin Luther einst das Wort Toleranz in die deutsche Sprache eingeführt hat, nur sehr schwer verständlich. Und dass eine offen gelebte gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft oder eine zweite Heirat für Mitarbeiter katholischer Einrichtungen immer noch einen Kündigungsgrund darstellt, ist auch kein Beleg kirchlicher Duldsamkeit.

Ob die Stadt deshalb aber kirchliche Kitas mit weniger Geld bezuschussen darf als etwa Waldorfkindergärten oder privat organisierte Kinderläden, ist angesichts der geltenden Rechtslage mehr als fraglich. Das avisierte Gespräch zwischen der Stadt und den Kirchen dürfte spannend werden.