Online-Petitionen wurden früher hoch gelobt, weil sie die politische Debatte verändert haben. Einige davon arten mittlerweile jedoch zu Volkstribunalen aus. Deshalb wird es Zeit, Petitionsforen kritisch zu hinterfragen, meint StZ-Kulturressortleiter Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Die Kampagnen gehen weiter und zeitigen Wirkung. Über 200.000-mal haben Menschen auf dem Online-Portal „Open Petition“ per Mausklick ihre Zustimmung zum Satz „Raus mit Markus Lanz aus meinem Rundfunkbeitrag!“ bekundet. Das reicht, damit die „Bild am Sonntag“ prompt auf den Titel setzt: „Muss Lanz jetzt weg?“ Nun kann man das Schicksal eines ZDF-Moderators mit Fug und Recht als minder wichtiges Problem dieser Welt betrachten (obwohl die Petition im Internet uns ja gerade eines Besseren belehren will).

 

Online-Petitionen werden zum Volkstribunal

Wesentlich relevantere Folgen für viele Beteiligte hat zweifellos die seit Wochen im Netz befeuerte Debatte über die künftige Thematisierung von Homosexualität an den Schulen in Baden-Württemberg. Auch hier suggerieren knackig zugespitzte Überschriften, mit einfachen, anonymen Mausklicks auf dieser oder jener Webseite sei einer komplizierten Wirklichkeit gerecht zu werden.

Das Massenmedium Internet verändert zweifellos die politische Debatte. Die Frage ist, wie weit es diese auch prägen darf. Was jedenfalls die früher oft hoch gelobten Online-Petitionen angeht, stimmen die jüngsten Erfahrungen zusehends skeptisch. Was allenfalls als Anstoß zum Nachdenken taugt, gebärdet sich wie ein Volkstribunal. Es wird Zeit, Netzforen dieser Art endlich angemessen kritisch zu betrachten.