Der Rücktritt des Stuttgarter Polizeichefs Siegfried Stumpf ist respektabel, den richtigen Zeitpunkt hat er aber verpasst, meint Jörg Nauke.

Stuttgart - Sieben lange Monate, das Misstrauen des Stuttgarter Gemeinderats und einen Regierungswechsel hat es gebraucht, bis bei dem für den missglückten Einsatz im Schlossgarten am 30. September 2010 verantwortlichen Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf eine Entscheidung gereift ist: Dass es wohl besser sein dürfte, freiwillig zu gehen, als vom neuen Innenminister zwangsversetzt zu werden - wie sein Vorvorgänger Volker Haas. Dieser Schritt kommt freilich zu spät, um ihn noch als Sühnemittel für den "schwarzen Donnerstag" deuten zu können; für die Polizei ist er dennoch ein Befreiungsschlag.

 

Stumpf war zur Belastung geworden. Im Untersuchungsausschuss hat er die Aktion im Schlossgarten schön- und den Einfluss der Landesregierung kleingeredet. Anschließend schmiedete er fleißig Verschwörungstheorien, in denen die Medien eine unrühmliche Rolle spielten. Dass er nun ausschließlich gesundheitliche Motive für seine Demission anführt, dürften seine Kritiker als wenig überzeugend betrachten. Gleichwohl ist die Entscheidung des Beamten zu respektieren, dessen Lebensleistung nun auf einen schwer missratenen Einsatz reduziert wird. Gerade deshalb ist zu betonen, dass Stumpf ansonsten ein Polizeichef mit wenig Fehl und Tadel war.

Die Bilder sind noch immer präsent

Die Macht der Bilder von diesem Tag im Schlossgarten ist aber einfach zu nachhaltig, um über die Fehleinschätzungen und -entscheidungen Stumpfs hinweggehen zu können, auch wenn die Staatsanwaltschaft bisher noch keine abschließende Bewertung vorgenommen hat. Besonders wegen der verheerenden Folgen, die der Polizeieinsatz zeitigte, wäre ein früheres Signal des Präsidenten hilfreich gewesen.

Dass an jenem Donnerstag Dutzende von Verletzten zu beklagen waren, ist schlimm genug gewesen. Die Polizisten mussten damals nicht etwa die Gesellschaft gegen demokratiefeindliche Kräfte verteidigen, wie das der abgewählte CDU-Ministerpräsident Mappus wohl bis heute glaubt, sondern nur einen Bauzaun, den man auch noch später hätte aufstellen können, wenn Stumpf das für nötig erachtet hätte.

Das bis dahin ungetrübte Verhältnis zwischen den Bürgern und ihrer Polizei nahm großen Schaden. Während viele Teilnehmer noch an den Folgen des Einsatzes laborieren, leidet der Schutzmann um die Ecke unter einem dramatischen Verlust an Vertrauen und Respekt. Der Freund und Helfer ist in den Augen mancher Bürger zum Kinderschläger mutiert, der das Recht mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray durchzusetzen versuchte. Diesem fatalen Eindruck hätte Stumpf viel früher, und zwar durch die Übernahme der Verantwortung und durch persönliche Konsequenzen, entgegenwirken müssen. Nun ist er gegangen, rühmlich ist der Abgang aber nicht.