Gegenüber der Politik der Ratingagenturen ist eine Portion gesunde Skepsis notwendig, warnt unser USA-Korrespondent Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Wenn es der Ratingagentur Standard & Poors um maximale, globale Aufmerksamkeit gegangen sein sollte, dann kann man die Herabstufung der amerikanischen Kreditwürdigkeit von der über viele Jahre hinweg geltenden Bestnote nur als Volltreffer bezeichnen. Wenige Tage nach einem mit halsbrecherischen Methoden zusammengekommen Schuldenkompromiss haben nun die amerikanischen Parteien frische Munition für den gegenseitigen Vorwurf der finanzpolitischen Verantwortungslosigkeit. Und auch China nutzt das neue Argument, um gegenüber dem Erzrivalen mahnend den Zeigefinger zu heben.

 

Kompromiss inspiriert wenig Vertrauen

Es ist in der Tat überfällig, dass sich die USA ihren Finanzproblemen stellen. Der Kompromiss, der vor wenigen Tagen im Streit um das Schuldenlimit zusammengeschustert wurde, inspiriert in der Tat wenig Vertrauen. Man kann also das Vorpreschen der Ratingagentur einen hilfreichen Warnschuss nennen. Aber man darf auch fragen, warum Standard & Poors aus der Deckung gekommen ist, bevor die Folgen der jüngsten Sparbeschlüsse seriös durchgerechnet werden konnten.

Auch Ratingagenturen machen Politik. Dennoch haben ihre Schlussfolgerungen in der breiten Öffentlichkeit immer noch die Aura des Herrschaftswissens. Ihre Schulnoten scheinen die komplexe Realität objektivierbar zu machen. Dabei haben die eng mit der Wall Street verflochtenen Agenturen in einigen Fällen aus der Vergangenheit, etwa bei der Einschätzung der Kreditrisiken vor der globalen Finanzkrise, recht kläglich versagt. Oft hechelten sie den Stimmungen an den Märkten hinterher statt künftige Entwicklungen vorherzusehen. Die amerikanische Politik bezieht ihre Prügel zu Recht. Doch eine Prise gesunde Skepsis gegenüber dem Notengeber schadet genauso wenig.