Die Jugendarbeitslosigkeit im Euroraum ist erschreckend hoch. Für Konjunkturprogramme fehlt das Geld. Der einzige Ausweg ist, die Haushalte zu konsolidieren, meint StZ-Redakteur Philipp Scheffbuch.

Stuttgart - Es ist eine paradoxe Situation. In Deutschland fehlen Arbeitskräfte, in den meisten anderen Nationen des Euroraums fehlen Jobs. Vordergründig ist es deshalb nachvollziehbar, dass Bundesregierung und Arbeitsagenturen junge EU-Ausländer nach Deutschland lotsen wollen. So hat sich Bildungsministerin Annette Schavan am Donnerstag in Stuttgart mit ihrem spanischen Amtskollegen José Ignacio Wert Ortega getroffen, um unter anderem zu klären, wie viele Jugendliche in Deutschland ausgebildet werden können.

 

Jedoch fällt es schwer zu glauben, dass spanisch sprechende Jugendliche sich im deutschen Einzelhandel oder der Gastronomie – beides Branchen, die dringend Nachwuchs suchen – auf Anhieb bewähren werden. Zudem stellt sich die Frage, warum sich die Arbeitgeber nicht ebenso anstrengen, schwer vermittelbaren deutschen Bewerbern eine Chance zu geben. Der Betreuungsaufwand dürfte nicht viel größer sein. Ob der viel beschriene Fachkräftemangel, so es ihn denn überhaupt gibt, durch ausländische Bewerber gelöst werden kann, wird man sehen. Nicht jeder griechisch sprechende Physiker lässt sich schnell in die Arbeitsabläufe integrieren. Dennoch: für die deutschen Arbeitgeber sind die Anwerbeversuche genauso wie für die arbeitslosen Südeuropäer eine Chance; ob sie ein Erfolg werden, bleibt abzuwarten.

Eine Lawine von Erwerbslosen in Europa

Klar ist aber auch: das gesellschaftliche Debakel von mehr als drei Millionen junger Menschen ohne Arbeit in der Eurozone lässt sich allein mit homöopathischen Ansätzen nicht lösen. In Europa hat sich eine Lawine an Erwerbslosen gebildet. Dabei steht dem Wirtschaftsraum das Schlimmste womöglich noch bevor: Nach Prognosen der Vereinten Nationen könnten in der Eurozone in den kommenden vier Jahren 4,5 Millionen Menschen ihre Arbeit verlieren, sollte es „keine politischen und wirtschaftliche Gegenmaßnahmen“ geben.

Was aber sind geeignete Gegenmaßnahmen? Die Vereinten Nationen schlagen vor, die Ausgaben zu erhöhen, kleinen Unternehmen zinsgünstige Darlehen anzubieten. Der UN-Vorschlag entlarvt exemplarisch die ausweglose Situation, in der wir uns befinden. Selbstverständlich würden unter normalen Umständen staatliche Ausgaben- und Kreditprogramme helfen, die Not zu lindern. Im Euroraum gibt es aber keine normalen Umstände, sondern eine Staatsschuldenkrise. Das jahrzehntelang europaweit eingeübte Allheilmittel gegen rezessive Phasen, die kreditfinanzierte Konjunkturpolitik, muss ausscheiden, weil sie den Brandherd der Krise – zu hohe Schulden – vergrößert.

Zentralbank hat keine schlüssige Antwort

Auch die Geldpolitik befindet sich in einer Sackgasse. Schon viel zu lange versucht die Europäische Zentralbank mit immer billigerem Geld, konjunkturelle Impulse zu setzen. Die Währungshüter erkennen, dass diese Stellschraube überdreht ist, dass sinkende Zinsen der Wirtschaft keine anhaltenden Effekte mehr verschaffen. Wie eine Zentralbank mit entgegengesetzten konjunkturellen Entwicklungen innerhalb eines Währungsraumes umzugehen hat, ist eine Frage, auf die es keine schlüssige Antwort zu geben scheint.

Die Regierungen und die EZB haben keine Wunderwaffen zur Hand. Die sofortige Konsolidierung der Haushalte ist die letzte Chance, die Wirtschaft und auch die Währung zu retten. Solange die Bevölkerung und die Gläubiger keine ausgeglichenen Haushalte zu sehen bekommen, werden beide Gruppen kein Vertrauen in die Zukunft fassen. Nur durch Vertrauen aber kann der Sinkflug gestoppt werden.

Warum bisher so wenige Länder in dieser Situation über Möglichkeiten eines internen Lastenausgleiches diskutiert haben, verwundert. Würden die Vermögenden helfen, dass ihre Länder baldmöglichst keine Schulden mehr aufnehmen müssen, retteten sie die Ast, auf dem sie sitzen; und ganz nebenbei auch ihre eigenen Kinder.