Der gesetzliche Mindestlohn bringt kaum Nachteile, stellen die Forscher der Bundesagentur für Arbeit fest. Die meisten betroffenen Betriebe halten ihr Personal. Diese Bilanz sollte allen zu denken geben, die zuvor lauthals vor der Einführung gewarnt hatten, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat sich einen Ruf als neutrale und seriöse Instanz erarbeitet. So darf es als verlässliches Zeichen gewertet werden, wenn die IAB-Forscher bestätigen, was sich ohnehin abgezeichnet hat: Der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von derzeit 8,50 Euro pro Stunde vernichtet keine Arbeitsplätze. Alle Panikmache im Vorfeld war unnötig.

 

Der Kontrolldruck darf nicht sinken

Zwar zeigt sich, dass die davon betroffenen Betriebe neue Mitarbeiter zurückhaltend eingestellt haben, doch wurde deswegen kein nennenswerter Personalabbau vorgenommen. Nicht einmal jeder 20. vom IAB befragte Betrieb griff zum schärfsten Schwert. Folgenlos blieb die Lohnuntergrenze aber nicht, vielmehr sind die Betriebe andere Wege gegangen. Als direkte Folge kann man insbesondere die Preisanhebungen in den tangierten Dienstleistungssparten ansehen. Ferner wurden offenbar Ausnahmeregelungen verstärkt genutzt: Bestimmte Beschäftigtengruppen wie Azubis, Praktikanten oder Langzeitarbeitslose haben vorübergehend weniger als 8,50 Euro erhalten. Oder es wurden mehr flexible Beschäftigungsformen wie Leiharbeit oder Befristungen angewandt. Ferner wird die Arbeitszeit mehr und mehr verdichtet.

Fast alle Maßnahmen würden ohne Mindestlohn freilich nicht minder forciert. Dies gilt auch für die illegale Umgehung der Gesetze: Um Tricksereien und kriminelle Machenschaften mit zum Teil schlecht informierten ausländischen Beschäftigten zu entlarven, muss der Kontrolldruck verstärkt werden. Die Flüchtlingshilfe darf nicht auf Jahre hinaus als Ausrede dafür dienen, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit das nötige Personal vorzuenthalten. Wer Gesetze schafft, muss eine Behörde, die deren Einhaltung überwachen soll, angemessen ausstatten. Dies ist noch nicht der Fall.

Erhöhung auf 8,84 Euro ebenso wenig schädlich

Wenn der Mindestlohn zum 1. Januar 2017 um 34 Cent steigt, sollte sich die bisherige Entwicklung fortsetzen. Damit wächst auch die Kaufkraft weiter – ökonomisch ein großer Gewinn. Eine Gesamtbilanz lässt sich ohnehin erst ziehen, wenn die Wirtschaft mal wieder in die Krise gerät. Und selbst dann sind keine Massenentlassungen zu erwarten. Wenn aber doch – warum sollte ausgerechnet der Mindestlohn dafür verantwortlich sein? So oberflächlich wie vor dessen Einführung sollte niemand mehr argumentieren.