Papst Franziskus besuchte für drei Tage lang die Türkei. Auch von dort aus stemmte er sich gegen religiös motivierte Gewalt. Aber seine Appelle sind oft vergebens, kommentiert Rom-Korrespondent Paul Kreiner.

Rom - Papst Franziskus hätte sich die Möglichkeit zu stärkeren Gesten gewünscht, so wie vor einem halben Jahr in Israel. Da betete er nicht nur an der Klagemauer und gedachte damit der Leiden des jüdischen Volkes, sondern schob spontan auch ein Gebet am Grenzzaun zu den Palästinensern ein, um auch deren Leid sichtbar zu machen. Jetzt hingegen, bei seinen drei türkischen Tagen, sah selbst er, der so kreative Papst, sich von einem unüberwindlichen Protokoll eingemauert. Er durfte keinen Besuch in Flüchtlingslagern an der Grenze zu Syrien machen; die Appelle gegen das Menschenschlachten hatten im Saale stattzufinden – im Sultanspalast eines Staatspräsidenten auch noch, der zwar viel vom Islam spricht, aber sich die Religion so zurechtbiegt, dass sie seinen politischen, nicht immer durchschaubaren Plänen nützt.

 

Hinter dem Gold- und Kerzenglanz der „Göttlichen Liturgie“, die Franziskus am Sonntag dann mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. feierte, versteckt sich aber auch eine christliche, im Zweifel nicht minder verhängnisvolle Mischung von Religion und Politik. Bartholomaios ist Ehrenoberhaupt der orthodoxen Kirchen mit ihren weltweit 300 Millionen Gläubigen. Zu sagen hat er nichts, selbst dann nicht, wenn sich diese national verfassten Kirchen den Wünschen ihrer Staatsoberhäupter beugen und – heute in Moskau, vor nicht allzu langer Zeit in Belgrad – auch solche Potentaten segnen, die mit Feuer und Schwert über Nachbarvölker herfallen.

Versandet die neue Bewegung, ehe sie richtig begonnen hat?

Die Papstreise nach Ankara und Istanbul, jene Riesenstadt, die aus kirchlicher Sicht ein Nicht-Ort ist – Bartholomaios nennt sich immer noch „Patriarch von Konstantinopel“ –, war denn auch eine Fahrt in das Reich des nicht Aufgearbeiteten und damit des nicht Zukunftstauglichen. Und die Bewegung, jene „Frische, Fantasie, Neuheit”, die Franziskus in Istanbul nicht nur den dort verschwindend wenigen Mitgliedern seiner eigenen Kirche empfahl, könnte im Sande verlaufen, bevor sie richtig begonnen hat.

Sicherlich, gegenüber dem Islam als Religion hat der Papst, hat der Vatikan alles getan, um Brücken zu bauen, um Respekt und Nähe zu zeigen. Der Papst hat in der Moschee gebetet; erst dieser Tage ist wieder ein interreligiöses Gespräch mit der einhelligen Verurteilung von religiös motivierter Gewalt zu Ende gegangen. Aber an die, welche „den Glauben“ politisch und militärisch instrumentalisieren, kommt auch der um Gesten beraubte Franziskus nicht heran. Und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet der oberste vatikanische Dialog-Beauftragte, Kardinal Jean-Louis Tauran, nicht in die Türkei mitgefahren ist. Er habe „andere Verpflichtungen“, hieß es. Andere Verpflichtungen als das Gespräch in einer Gegend, in der sich das Brennen der Welt manifestiert?

Die Gewalt lässt alle leiden – Christen wie Muslime

Tauran hatte im August gezeigt, dass ihm auch andere Töne zu Gebote stehen als leisetreterische Sätze. Geharnischt hatte er gegen die „Barbareien“ des so genannten Islamischen Staates protestiert und sowohl den Sinn als auch die Glaubwürdigkeit des gesamten katholisch-islamischen Dialogs in Frage gestellt für den Fall, „dass Anhänger und Führer der Religionen solche Verbrechen nicht ohne jede Zweideutigkeit verdammen“. Damit hat der Kardinal zwar das Schweigen der muslimischen Welt beendet – es kamen tatsächlich einige der geforderten Reaktionen im Vatikan an –, aber aus eigener Kraft sind der Islam und seine „Kirchenführer“ noch lange nicht in der Lage, dem IS zu widerstehen.

Franziskus und Bartholomaios haben in „Konstantinopel“ wenigstens einen neuen Ansatz versucht. Religiös motivierte oder gar abgesegnete Gewalt, erklären sie gemeinsam, lasse alle leiden, Christen wie Muslime. Wenn selbst diese Einsicht nicht zum Frieden führt, dann keine mehr.