Werner Faymann war immer der österreichische Bundeskanzler ohne Eigenschaften. Das rächt sich jetzt, kommentiert StZ-Redakteur Mirko Weber. Wenigstens sein Rücktritt hat ein gewisses Format.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Im Grunde genommen war das politische Schicksal vom österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) bereits vor Tagen besiegelt gewesen, nachdem der Wiener Bürgermeister Michael Häupl – ein entscheidender Mann in der Partei, dem aber im Zweifelsfall der Heurige lieber ist als ein Häuptlingstreffen – auf einmal begonnen hatte, sich außerhalb der Stadt zu orientieren. Häupl, der Faymann nun vorübergehend als Parteichef beerbt, knüpfte Kontakte bis zur Basis im Burgenland, wo die SPÖ, anders als in Wien (wo sie mit den Grünen koaliert), in der Landesregierung mit der FPÖ in einem Boot sitzt. Ein „Schachzug“, notabene, von Werner Faymann, der nach den letzten Wahlen im Burgenland so getan hatte, als ginge ihn dieses – nach den lange vergangenen Offerten Bruno Kreiskys – singuläre Entgegenkommen der Sozialdemokraten gegenüber den Freiheitlichen nichts an. Die Burgenländer machen ihrs, und ich mache meins, war Faymanns Motto gewesen. Das rächt sich jetzt. Alles rächt sich jetzt.

 

Die große Koalition ist träge und selbstgerecht geworden

Es rächt sich, dass der 56-jährige Faymann, seit er 2008 Kanzler wurde, das Land immer mehr in eine Lähmung hineinregiert hat. Apparatschik der SPÖ, der Faymann von der Jugendorganisation an war, dachte er als Regent einer mit den Jahren immer träger und selbstgerechter werdenden großen Koalition aus SPÖ und ÖVP stets, es reiche, mit der Unterstützung der Boulevardmedien (die ihrerseits von der SPÖ großzügig über Werbeinserate gefüttert wurden), einen halbwegs guten Eindruck in der Öffentlichkeit zu hinterlassen, während die legendäre Bürokratie die Dinge im Land schon richten werde. Faymann selber war, wenn er wollte, stets präsentabel, inhaltlich nichtssagend, aber äußerlich vermittelbar. Lange Zeit mochte er deshalb als Bundeskanzler meinen, einem Land vorzustehen, indem so weit alles in Ordnung sei, außer dass der FPÖ immer mehr Stimmen zuflogen.

Etwas mehr Profil als üblich zeigte Faymann erst, als er sich in der Flüchtlingspolitik zunächst ganz auf die Seite Angela Merkels stellte, um später (und auf Druck des Außenministers Sebastian Kurz) dazu überzugehen, sich buchstäblich abzugrenzen. Die Stimmung im Land war unterdessen aber längst zu seinen Ungunsten gekippt, und zwar komplett. Obwohl er noch „eine Mehrheit“ habe, betonte Faymann nicht von ungefähr in seiner Abschiedsrede, sei das momentan „zu wenig“ zum Regieren. Wenn selbst Faymann ahnte, dass er nicht mehr länger zu halten gewesen wäre, kann Faymann wirklich nicht mehr zu halten gewesen sein.

Geht beim zweiten Wahlgang ein Ruck durch das Land?

Letzter Auslöser für die jetzt erfolgte Demission des Bundeskanzlers ist aber zweifelsfrei die von ÖVP und SPÖ komplett falsch angegangene Wahl des Bundespräsidenten gewesen. Der eine wie der andere Kandidat war schlecht gewählt, Hochmut kam wieder einmal vor dem Fall, und der FPÖ-Mann Norbert Hofer steht beim zweiten Wahlgang am 22. Mai vor dem Gang in die Wiener Hofburg, von wo aus er, wie er jetzt schon öfter verklausuliert, aber auch ganz offen erklärt hat, ganz gerne einiges ändern würde in Österreich. Dies wissend, hat Faymann, für den eine Nachfolge nicht in Sicht ist (auch mangelnde Förderung kompetenter Jungpolitiker zählt zu seinen Fehlern), jetzt die allerletzte Option gewählt. Aufgerüttelt (wenn Österreich denn durch einen solchen Rücktritt aufzurütteln ist), könnte sich das Land einen Ruck geben – und, als kleineres Übel, zunächst einmal den parteilosen, vormals Grünen-Politiker, Alexander Van der Bellen wählen, wenn es gut geht.