Am Sonntag beginnt in Melbourne die neue Formel-1-Saison. Mercedes hat nach etlichen schwachen Jahren sein Team völlig umgekrempelt. Der StZ-Redakteur Dominik Ignée analysiert, weshalb der Erfolgsdruck nun groß ist.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Beim Antrittsbesuch im Mercedesmuseum musste Lewis Hamilton neulich schon ein bisschen überlegen bei der Frage, auf wie viele Chefs er künftig hören müsse. Der als Heilsbringer verpflichtete Rennfahrer ist Teil des totalen Umbruchs, der beim Formel-1-Team Mercedes-GP auf Führungsebene eingeleitet wurde, um nach drei Jahren des chronischen Hinterherfahrens endlich obenauf zu sein. „Der große, große Chef ist Doktor Z.“, sprach Hamilton also und lag mit seiner Einschätzung richtig. Man verliert in diesen Zeiten gerne mal den Überblick.

 

Doktor Z. nennen sie in der Motorsportszene Dieter Zetsche. Der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG ließ nach den verkorksten Silberpfeil-Auftritten keinen Stein auf dem anderen. Der langjährige Sportchef Norbert Haug wurde in den Ruhestand komplimentiert, dafür Niki Lauda als Aufsichtsrat des Formel-1-Teams installiert und in Toto Wolff ein weiterer Österreicher als Geschäftsführer eingestellt. Das hektische Austauschen von Führungskräften ist noch nicht abgeschlossen. In der Warteschleife befindet sich Paddy Lowe, einst Technischer Direktor bei McLaren.

Zetsche braucht gute Ergebnisse

Der Umbruch im Hause Mercedes zeugt von einem hohen Grad an Nervosität. Vermutlich hat dieser Zustand Dieter Zetsche am allermeisten erfasst. Der motorsportaffine Vorstandschef steht unter Druck wie noch nie. In der Königsklasse müssen jetzt Ergebnisse her, sonst meldet sich der kritische Konzernbetriebsrat wieder zu Wort, der 2009 schon einmal den Ausstieg aus dem kostspieligen Formel-1-Zirkus gefordert hat. Weil das unnötige Verbrennen fossiler Stoffe nicht zeitgemäß ist und weil man nicht wie damals 150 Millionen Euro in einen sportlichen Wettbewerb steckt, während in den Werken die Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz fürchten.

Die Baustelle Formel 1 ist nur eine von mehreren, die sich vor Zetsche auftun. Audi und BMW hängen Mercedes im Wettstreit der Premiummarken ab, auf dem florierenden chinesischen Markt haben die Stuttgarter den Trend zu verlängerten Limousinen verschlafen, und auf der Formel-1-Piste dreht ihnen seit drei Jahren der österreichische Getränkehersteller Red Bull eine lange Nase. Auch im Vergleich mit Ferrari, McLaren und Lotus präsentiert sich der Stern ziemlich matt. Kein Glanz, kein Werbeeffekt, nur ein Rennsieg – das ist unbefriedigend für ein Unternehmen, das sich auf die Fahne schreibt, in seinen Autos nur „das Beste oder nichts“ zu verbauen. Im Fahrerlager wird hinter vorgehaltener Hand die Rolle des Rennstalls, der einst mit Michael Schumacher und hohen Zielen gestartet war, als peinlich bezeichnet.

Stärkere Identifikation gefordert

Einfach wird der Weg aus der Mittelmäßigkeit für Zetsche und seine Formel-1-Mannschaft nicht werden. Der Vorstandschef hat das Problem, dass er angezählt ist. Auch, weil sich der Konzernbetriebsrat dafür starkmachte, seinen Vertrag nur um drei statt um fünf Jahre zu verlängern. Diese Arbeitnehmervertreter werden nun sehr genau auf die Formel 1 schauen, die ihnen wegen der Millionensummen, die sie verschlingt, ohnehin ein Dorn im Auge ist. Und was die Zusammenarbeit mit dem Mercedes-Werk im britischen Brackley angeht, wollen die Stuttgarter durch Toto Wolffs Präsenz auf der Insel den Engländern deutsche Arbeitsprinzipien und eine stärkere Identifikation mit der Marke Mercedes vermitteln. Dass solch ein Versuch aufgrund eigener Motorsporttradition, auf die die Engländer stolz sind, auch gnadenlos scheitern kann, das müssten die Schwaben aus der oft unbequemen Zusammenarbeit mit McLaren eigentlich gelernt haben.

Toto Wolff hält 30 Prozent der Anteile am Silberpfeil-Rennstall, Niki Lauda zehn. Man könnte das deuten als eine Art Hintertür, durch die sich Zetsche und Mercedes aus der Formel 1 verabschieden könnten, sollte auch Lewis Hamilton in der Saison 2013 keinen Blumentopf gewinnen.