Der Zwang zu Klarnamen im Netz ist realitätsfern. Vielmehr braucht es eine bessere Umgangskultur im Netz - die auch anonym funktioniert.  

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Dem Innenminister schwante nichts Gutes, als er die Debatte über eine Begrenzung der Anonymität im Internet anzettelte. Beschimpfungen werde er in der Netzgemeinde ernten, prophezeite Hans-Peter Friedrich. Recht hat er - wenigstens an dieser Stelle. Im Internet fallen alle über ihn her. Friedrichs Forderung, Blogger sollten nur noch unter Klarnamen auftreten, wirkt in der Tat sehr realitätsfremd. Das Netz lässt sich in Rechtsstaaten nicht nach der Pippi-Langstrumpf-Devise "Ich mach mir die Welt widde widde, wie sie mir gefällt" ordnen.

 

Gerade in den Diktaturen der Welt hat die Anonymität unschätzbare Vorzüge. Nur so erfahren wir über viele Menschenrechtsverletzungen. Aber auch hierzulande muss sich jeder Nutzer ohne Angst vor Repressionen äußern dürfen. Anonym. Allzu oft freilich - da hat Friedrich recht - wird im Internet gegen unsere Prinzipien der Menschenwürde verstoßen. Dies lässt sich schon wegen der unbeherrschbaren Masse an Texten nicht kontrollieren oder gar verhindern. Vielmehr brauchen wir eine bessere Umgangskultur im Netz. Viele Nutzer müssen erst noch lernen, mit den Freiheiten umzugehen - zum Beispiel in den Schulen oder auch mit Hilfe der sozialen Netzwerke. Dort sind die echten Autorennamen ausdrücklich gefragt. Die Selbstregulierung funktioniert also stellenweise schon.