Die vielen Schreckensnachrichten der vergangenen Tage gehen uns buchstäblich nahe – lähmen dürfen sie uns jedoch nicht.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Sommerferien. Zeit der Unbeschwertheit. Urlaub haben, Freiheit spüren, Leben genießen, Kraft holen. Alles ist gut. Oder sollte gut sein. Doch dieses Jahr ist vieles anders. Vieles ist nicht gut.

 

Die Nachrichten der vergangenen Tage hängen am Sommerhimmel wie eine giftige Wolke, die nicht weichen will. Es sind Nachrichten von Tod und Terror. Die Ereignisse, die darin beschrieben werden, spielen sich nicht mehr nur an weit entfernten Schauplätzen ab, sondern auch an Orten in unserer Umgebung, die bisher unverletzlich schienen oder zumindest immun gegen Formen blindwütiger Gewalt: Würzburg, München, Ansbach.

So unterschiedlich die Taten gelagert sind, eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie das Sicherheitsbedürfnis der Menschen verletzen. Sie beschleicht das beklemmende Gefühl, an jedem Ort könnte zu jedem Zeitpunkt etwas passieren. Die Verunsicherung, die daraus resultiert, ist ihrerseits gefährlich,weil sie persönliche Zwänge und Unfreiheit schafft.

Schmaler Grat zwischen Überreaktion und Vorsicht

Die Politik reagiert darauf. Auch in Stuttgart,wo Oberbürgermeister Fritz Kuhn in dieser Woche einen „Sicherheitsgipfel“ mit dem Polizeipräsidenten abgehalten hat. Ergebnis: Die Polizei zeigt mehr Präsenz, besonders bei den Großveranstaltungen der nächsten Zeit – dem Sommerfest und dem Weindorf im August, dem Cannstatter Wasen im September. Und der großen CSD-Parade an diesem Samstag in der Innenstadt. Zudem wird Besuchern empfohlen, auf Großveranstaltungen keine Rucksäcke mitzuführen. Daran zeigt sich, wie schmal der Grat zwischen Überreaktion und gebotener Vorsicht ist. Noch wandeln die Verantwortlichen einigermaßen sicher darauf. Gleichzeitig gilt es, darauf hinzuwirken, dass die Bemühungen um Integration nicht leiden. Die Gefahr besteht, weil es sich bei den Attentätern von Würzburg und Ansbach um Flüchtlinge handelte.

Wie nahe uns die Ereignisse der vergangenen Tage buchstäblich gehen, zeigt auch der Fall des in dieser Woche aufgeflogenen 15-jährigen Jungen aus Gerlingen, der mit dem Amokschützen aus München in Kontakt gestanden und angeblich selbst Amokpläne geschmiedet hatte, die sich gegen seine Schule richteten. Traurige und schmerzende Erinnerungen an den Amoklauf in Winnenden und Wendlingen von 2009 werden wach. Auch das ereignete sich damals in nächster Nähe.

Dei Quellen des Hasses identifizieren

Die vielen schockierenden Nachrichten schreien nach Erklärungen – jede einzelne davon. Doch es können immer nur Erklärungsversuche sein. Was treibt Menschen an, Leben zerstören und größtmöglichen Schaden anrichten zu wollen? Wieso waren die Attentäter von Würzburg und Ansbach offen für Einflüsterer des Bösen? Weshalb kann sich aus dem Wunsch nach Beachtung eine scheinbar unbändige tödliche Energie entwickeln, die begleitet wird von einer Umwertung fundamentaler Werte? Der Amokläufer von München gab sich in sozialen Netzwerken selbst den Namen „Hass“. Vermutlich wird man sich mit den Quellen des Hasses befassen müssen und mit der Frage, welche Möglichkeiten es gibt, diese zu schließen.

Eines ist allerdings auch wichtig zu sagen: Der Sommer 2016 sollte nicht als Sommer des Hasses in Erinnerung bleiben, sondern – in bewusster Abgrenzung zu Terror und Tod – auch als eine Zeit der Freundschaft, des Feierns und der Liebe. Machen wir den Sommer 2016 zu einem Sommer des Lebens. Trotzdem!

jan.sellner@stzn.zgs.de