Die deutschen Fußballfrauen haben es nicht nötig, ständig weibliche Reize zu betonen. Ein Kommentar von StZ-Redakteur Tobias Schall.  

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Leider haben die PR-Strategen dieser Frauenfußball-WM nicht auf Birgit Prinz gehört. "Wir wollen unseren Sport vermarkten, nicht unsere Hintern", hat die Stürmerin einmal gesagt.

 

Diesem Körperteil wurde im Zuge der Marketingoffensive noch keine Aufmerksamkeit zuteil, sonst aber ist so ziemlich alles abgedeckt, was man an klischeehaften Vorstellungen mit Frauen in Verbindung bringt. Kaum ein öffentlicher Auftritt ohne Fachgespräche zu Lippenstift, lackierten Fingernägeln oder der Verweildauer der Damen im Bad. Kaum eine Werbung, die nicht mit entsprechenden Bildern arbeitet. Dass einige Junioren-Nationalspielerinnen pünktlich zur WM im "Playboy" spärlich bekleidet abgelichtet waren, passt ins Bild.

Es mag auch mit dem einstigen Image des Frauenfußballs zu tun haben, dass die feminine Note hervorgehoben wird. Lange wurden die kickenden Damen schließlich als "Mannsweiber" diffamiert. Moderne Frauen, die Wert auf die Optik legen, spielen Fußball - das soll die neue Botschaft sein. Kicken und Kajal. In Wahrheit wird aber suggeriert: die Frauen sehen gut aus, und, ach ja, kicken tun sie auch. Eine Nebensache wurde zur Hauptsache.

Frauensport wird zu oft auf Äußerlichkeiten reduziert

Auch Männer haben sich derart inszeniert, man denke nur an David Beckham. Doch gerade der Frauensport wird getreu dem Motto "Sex sells" in den Medien viel zu oft auf Äußerlichkeiten reduziert, gerne auch von Athletinnen selber befeuert. Deshalb hätte man auf diese Boulevardisierung in der Darstellung getrost verzichten können. Es geht um Fußball, es geht um Sport, nicht um die Schönheit der Spielerinnen, sondern um die Schönheit des Spiels. Und da hat das DFB-Team in der Welt des Frauenfußballs genügend zu bieten. Die Frauen um Birgit Prinz sind dort seit Jahren der Maßstab für Qualität. Erfolg ist attraktiv.

Unter Fußballfans wurde und wird hitzig darüber gestritten, welchen sportlichen Wert die WM hat. Dabei kann man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, aber zwei Dinge sollte man unterlassen:

Da wäre zum einen der sinnfreie Vergleich mit den Männer. Frauen erreichen nur 60 bis 70 Prozent der männlichen Kraft, allein deswegen verbietet es sich, dies als Maßstab anzulegen. Im Biathlon oder in der Leichtathletik käme auch niemand auf die Idee, Erfolge der Frauen zu relativieren, obwohl Leistung dort sogar messbar ist. Dass wiederum in anderen Mannschaftssportarten wie Volleyball oder Handball niemand die Darbietungen der Frauen infrage stellt, liegt daran, dass Fußball wie kein anderer Bereich als Männerdomäne gilt und Frauenfußball eben auch erst seit 1971 erlaubt ist. Er befindet sich global immer noch im Entwicklungsstadium.

Wer sich kritisch äußert, gilt schnell als reaktionär

Da wäre zum anderen die gesellschaftspolitische Überfrachtung der Weltmeisterschaft, zum Beispiel als ein "frauenpolitisches Sommermärchen", wie man es hört. In einem Einheitsbrei der öffentlichen Meinungen wird geradezu suggeriert, dass die WM das Tollste sei, was es je gegeben hat. Wer sich kritisch äußert, gilt schnell als reaktionär oder frauenfeindlich. Wer sich aber die WM groß auf die Fahnen schreibt, nur weil es Frauen sind, konterkariert deren Kampf um Anerkennung. Frauen wollen zu Recht, dass ihr Sport ernst genommen wird, und dazu gehört eine sachliche, auch eine kritische Auseinandersetzung mit ihm. Selbst der Trainer der Potsdamer Damen, Bernd Schröder, sagt: "Wir können den Leuten nicht einreden, dass Frauenfußball das Größte ist. Es ist nicht so."

Von Sonntag an sind all diese Debatten erst einmal beendet, dann geht es um Fußball - und es beginnt die wichtigste PR-Kampagne: Diese WM kann dazu beitragen, dass Fußball noch stärker als ohnehin schon eine selbstverständliche Option für Mädchen wird. Noch immer sind sie unterdurchschnittlich in Vereinen vertreten, und noch immer mangelt es an weiblichen Vorbildern. Das ist wichtig. Nicht die Optik.