Geistig Behinderte am Gymnasium? Das kann gut gehen. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen stimmen, meint die StZ-Redakteurin Inge Jacobs.
Stuttgart - Der Fall Henri wirkt auf den ersten Blick wie eine Provokation: Ein elfjähriger geistig Behinderter soll ins G8, während andere Kinder, die intellektuell überfordert sind, das Gymnasium wieder verlassen müssen. Für sie gilt die Versetzungsordnung, für die geistig Behinderten nicht. Hier zeigt sich eine der vielen Unstimmigkeiten im derzeitigen Bildungssystem. Eine weitere besteht darin, dass für einzelne Inklusionskinder an der Regelschule nicht genügend Ressourcen vorgesehen sind, weder personell noch räumlich. Hinzu kommt, dass kaum ein Gymnasiallehrer das pädagogische Knowhow für den Umgang mit geistig Behinderten und ihr Gedeihen im Klassenverband mit G8-Kindern mitbringt. Entsprechend groß ist die Verunsicherung in der Lehrerschaft.
Insofern muss man dem Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, das im übernächsten Schuljahr als erstes Gymnasium in Stuttgart eine Außenklasse mit geistig Behinderten aufnehmen möchte, Mut und Augenmaß gleichermaßen bescheinigen. Denn Außenklasse bedeutet, die geistig Behinderten haben einen geschützten Rahmen samt Rückzugsort und ausreichend sonderpädagogisches Personal.
Das ist für alle gut. Für die geistig Behinderten, weil keiner dieser Schüler sich allein in einer G8-Klasse behaupten muss. Für die Gymnasiasten und ihre Lehrer bedeutet es, das ungewohnte Miteinander sehr fein dosieren zu können. Das nimmt viel Druck aus der Erprobungsphase. Das neue Kulturprofil am Elly und die Kooperation mit der Musikschule und der inklusionserfahrenen Eichendorffschule könnten sich ebenfalls bereichernd auswirken.