Die Linken haben auf ihrem Parteitag mit Katja Kipping und Bernd Riexinger eine neue Führung gewählt. Alte Gräben bleiben – die Existenzkrise auch, sagt StZ-Redakteurin Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Dieser Grundsatz gilt natürlich auch für die Linkspartei. Aber nach dem destruktiven Parteitag vom Wochenende gilt der Spruch nur im Prinzip. Ein Neustart war das nicht. Weder hat die Linke sich charismatische Anführer gewählt, die der Partei in ihrer Außenwirkung neuen Glanz versprechen. Noch stehen Katja Kipping und Bernd Riexinger für ein Führungsmodell, in dem sich die internen Strömungen angemessen repräsentiert sehen. Auch im erweiterten Vorstand sind jene Reformer aus dem Osten kaum vertreten, die ihre Vorstellungen von linker Politik nicht nur in der Opposition, sondern auch in Regierungsverantwortung umsetzen wollen. Die Radikaloppositionellen aus dem Westen mit Oskar Lafontaine als treibender Kraft haben die andere Seite fast komplett untergebuttert. Damit ist die Situation entstanden, für die der Fraktionschef Gregor Gysi in seiner aufrüttelnden Rede sagte, eine faire Trennung sei besser, als eine durch und durch verkorkste Ehe weiterzuführen.

 

Lafontaine trägt die Verantwortung für die Marginalisierung

Es sieht so aus, als würde es bis auf Weiteres bei der zerrütteten Ehe bleiben. Wie lange noch? Die Frage ist nicht vom Tisch. Dafür trägt Oskar Lafontaine die Verantwortung. Sicher hat er große Verdienste bei der Gründung der Partei; dass er, seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger ihren Kurs ohne Rücksicht auf Verluste für die östlichen Landesverbände durchgesetzt haben, trägt aber dazu bei, die Linke als gesamtdeutsche Partei zu marginalisieren, wenn nicht zu zerstören.

Weder ist dieser Flügel zum innerparteilichen Interessenausgleich bereit, noch ist er willens, sich mit dem Kernproblem der Partei überhaupt auseinanderzusetzen: der Tatsache, dass die Ost-Linke, die bei Landtagswahlen für 20 Prozent gut ist, tatsächlich ganz andere Aufgaben, Chancen und auch Pflichten hat als die West-Partei, die seit einiger Zeit an der Fünfprozenthürde wieder regelmäßig scheitert.

Die Lage der Linken bleibt prekär

Dennoch verlangen Lafontaine und seine Anhänger Unterwerfung – wenn die nicht freiwillig erfolgt, dann wird sie mit bestenfalls vor- und teilweise undemokratischen Mitteln erzwungen. Damit wurde verhindert, dass der offenkundig professionellste Bewerber um die Führungsrolle – Dietmar Bartsch – es an die Spitze schafft. Dieses Vorgehen hat die bisher stabile Achse zwischen Gysi und Lafontaine erodieren lassen. Das sind die Hauptverluste dieser Schlacht, die von der Partei kaum wettgemacht werden können.

Man muss kein Schwarzmaler sein, um vorherzusagen, dass die Lage der Linken prekär bleiben wird. Bis zur Bundestagswahl ist es nicht mehr weit, und die Linke dümpelt vor sich hin, während die Piraten als neue Protestpartei ihren Höhenflug stabilisieren. Die von der Regierungsdisziplin befreite SPD stellt sich derweil so auf, dass sie auch für linke Wähler jenseits der Mitte wieder interessant werden kann. Dazu kommt, dass die Linke einen strahlkräftigen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl auch noch nicht sicher hat. Dass Gregor Gysi diese Aufgabe nach den Demütigungen dieses Wochenendes noch einmal übernimmt, ist mindestens fraglich.

Die beiden treten einen harten Job an

Doch nicht nur die politische Großwetterlage bleibt für die Partei schwierig. Im Binnenverhältnis sind die Gräben noch tiefer geworden. Mit ihrer Frische haben Katja Kipping und Bernd Riexinger natürlich die Chance, der Operation Brückenbau Auftrieb zu verleihen. Aber unbelastet sind beide nicht. Riexinger muss den Verdacht abschütteln, eine Marionette Lafontaines zu sein, während Katja Kipping mit dem Vorwurf leben muss, mit ihrer Kandidatur den Durchmarsch der Lafontainisten und die Niederlage von Bartsch zu verantworten. Das sind schwere Hypotheken. Die beiden Neuen treten einen harten Job an. Die Risikozone, in der ein Mechanismus der Selbstzerstörung einsetzen könnte, hat die Linke noch nicht hinter sich.