Die Endlagerkommission nimmt ihre Arbeit auf. Bundestagspräsident Lammert mahnt die Mitglieder, das Klassenziel nicht aus dem Auge zu verlieren.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Gestern hat in Berlin der zweite Teil beim Neustart zur Suche nach einem Atomendlager begonnen. Vor knapp einem Jahr haben Bund und Länder mit dem Gesetz die Grundlagen für eine Suche nach einem Standort für die hochradioaktiven Hinterlassenschaften der Atomkraft geschaffen. Neu ist, dass die Vorfestlegung auf Gorleben aufgegeben wird und ergebnisoffen nach dem bestmöglichen Standort gesucht wird. Mit einiger Verspätung beginnt jetzt die Endlagerkommission, um ihren Beitrag dazu abzuliefern. Der ist nicht gering zu schätzen, wie schon in den ebenso aufmunternden wie mahnenden Worten von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) deutlich wurde, die er den 33 Mitgliedern in der Auftaktsitzung mit auf den Weg gegeben hat.

 

Das Gremium soll den Sprengstoff aus Jahrzehnten entschärfen

Es gebe „gemütlichere Aufgaben“ als die Mitgliedschaft in dieser Kommission, räumte Lammert ein, und damit hat er eher unter- als übertrieben. Laut Gesetz soll der Rat, in dem Vertreter von Bund, Ländern, Wissenschaft und Zivilgesellschaft vertreten sind, alle für die Standortauswahl wichtigen Fragen erörtern und Empfehlungen für das weitere Suchverfahren erarbeiten. Dazu gehört ausdrücklich auch der Auftrag, noch einmal zu prüfen, ob es Alternativen zu der Lagerung des Atommülls in Gesteinsschichten tief unter der Erde gibt. Außerdem soll die Kommission Suchkriterien erarbeiten, die Eignung der verschiedenen Wirtsgesteine – Salz, Ton und Kristallin – bedenken, Vorschläge zum Suchverfahren erarbeiten, Transparenz garantieren und damit Akzeptanz schaffen. All diese Aspekte bergen Sprengstoff, der eine Einigung jahrzehntelang blockiert und die Endlagerfrage zu einem der erbittertsten Streitthemen der Republik gemacht hat.

Der politische Auftrag an die Kommission ist, den Streit über Gorleben und die Alternativen zu befrieden. „Gesucht wird eine rechtlich tragfähige und möglichst friedensstiftende Lösung des Konflikts“, sagte Lammert. „Ich stehe in einer Mischung aus Bewunderung, Respekt und gehöriger Erwartung vor der Arbeit dieser Kommission.“ Er mahnte den Rat, möglichst bis Ende 2015 fertig zu werden, wie es im Gesetz steht. Das wird nicht einfach, weil die Umweltverbände monatelang zögerten, Vertreter in die Kommission zu entsenden. Sie zweifelten am ergebnisoffenen Charakter der Beratungen. Deshalb ist die Zeit von Anfang an knapp.

Lammert nimmt die Kommissionsmitglieder ins Gebet

Für die Kommission wird es schwer, zu einer Einigung zu kommen. In dem Gremium treffen die verschiedenen Interessen und Ängste, die Gorleben-Gegner und die Gorleben-Befürworter, die Anhänger der Atomkraft und ihre Gegner aufeinander. Unter dem Vorsitz der CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser und ihres SPD-Kollegen Michael Müller sollen sie sich erstens auf einen Kompromiss einigen und ihn zweitens nach außen glaubhaft machen.

Lammert betonte, wie wichtig es ist, dass die Kommission – in der ausschließlich die Vertreter der Wissenschaft und der gesellschaftlichen Gruppen Stimmrecht haben – einen breiten Konsens erreicht. Sonst klappt es nicht mit der Befriedung des Konflikts. Lammert nahm die Mitglieder ins Gebet. „Wenn Sie mit knappster Mehrheit Ihre Empfehlung aussprechen, ist der Gesetzgeber nahezu in der gleichen Lage wie vor der Kommission. Dann wäre das Klassenziel nicht erreicht.“