Wenn sich die Gegend östlich der Landeshauptstadt nach Einschätzung des früheren Landrats Horst Lässing gerne als „Musterkreis im Musterländle“ gesehen hat, dann war Fellbach als westlichster Vorposten dieses Musterlandkreises quasi die Kirsche auf der Torte, also das Beste an Rems und Murr. In vielen Bereichen jedenfalls sieht sich die Stadt am Fuße des Kappelbergs ganz vorne, so in der Infrastruktur mit einem der mitgliederstärksten Sportvereine im Lande (TSV Schmiden), dem größten Kongress- und Veranstaltungszentrum im Landkreis (Schwabenlandhalle), der besten ÖPNV-Anbindung nach Stuttgart oder dem attraktivsten Spaßbad in der Region (F3). Doch in Zeiten allgemeiner Finanzknappheit ist die Frage, ob sich der gern gepriesene „Fellbach Standard“ noch so locker aufrechterhalten lässt.
Unvollendete Baustellen Fellbach ist zwar mit knapp 46 700 Einwohnern hinter Waiblingen die zweitgrößte Stadt im Landkreis, letztlich ist die Vielzahl an relevanten Themen dennoch beeindruckend. Etliche Entwicklungen hängen allerdings in der Warteschleife. Der Umsetzung harrt die Neue Mitte beim Rathaus samt der Verlegung der Stadtbahn-Endhaltestelle Lutherkirche um 100 Meter zum Alten Friedhof hin. Ein Dauerbrenner ist der Umbau der nördlichen Bahnhofstraße.
Aktuell heftige Fellbacher Abwehrbemühungen verursacht der vom Land aus dem Hut gezauberte Plan, im Gewerbegebiet nördlich der Stuttgarter Straße eine Landeserstaufnahmestelle für 1000 Flüchtlinge zu etablieren. Bei der Streckenführung des künftigen Radschnellwegs vom Remstal bis Stuttgart favorisiert die Stadt eine abgespeckte, schmale Lösung entlang der Schorndorfer und Stuttgarter Straße – auch hier fehlt das endgültige Votum. Offenbar bezahlt gemacht hat sich der gemeinsame Kampf gegen den Nord-Ost-Ring übers Schmidener Feld, von dem in den vergangenen Monaten kaum mehr etwas zu hören war. Bei einem bundesweit beachteten Thema hingegen bleibt den Verantwortlichen nur die Beobachterrolle: Der Schwabenlandtower steht seit acht Jahren im Rohbau da, ohne dass eine Vollendung in Sicht wäre.
Das Ergebnis 2019 Im Entscheidungsgremium, das all diese relevanten Themen beackert, hat es seit 2019 wenige, aber relevante Veränderungen gegeben. Seinerzeit hatten sich die Freien Wähler/Freien Demokraten dank drei zusätzlicher Sitze auf elf Rätinnen und Räte verbessert und somit klar die Spitzenposition übernommen. Die Grünen legten ebenfalls um drei Mandate zu und kamen auf sieben Sitze. Die CDU wie die SPD verzeichneten ein Minus um zwei Sitze und kamen auf acht beziehungsweise fünf Sitze. Dazu kam mit Armin Fischer noch ein Vertreter der Linken.
Erosionen im Gremium Den gravierendsten Schlag musste die CDU verkraften: Ausgerechnet ihr Spitzenduo, die Fraktionschefs Simone Lebherz und Jörg Schiller, verkündeten vor genau drei Jahren in einer abendlichen Mail, dass sie von ihren Chefämtern zurücktreten, die Fraktion und sogar auch die Partei verlassen. Seitdem hat die CDU nur noch sechs Sitze, das abtrünnige Duo firmiert als Gruppe Die Stadtmacher und setzt vor allem auf ökologische Themen. Um einen Sitz steigern konnten sich die Sozialdemokraten, nachdem Fischer wegen der Haltung seiner Partei zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Linke verlassen und sich der SPD angeschlossen hatte.
153 Kandidaten auf den Wahlzetteln Für den anstehenden Urnengang ist zu konstatieren, dass die AfD wie in den meisten anderen Rems-Murr-Kommunen auch in Fellbach nicht antritt. FW/FD, CDU und Grüne warten mit jeweils 32 Kandidaten auf, die SPD musste einen Wahlvorschlag zurückziehen und hat 31 Aspiranten. Die Stadtmacher haben 23 Kandidaten aufgestellt.
Kuriositätenkabinett? Von F2 zu WUFF! Und dann gibt es noch eine ganz neue Liste. Deren Kurzbezeichnung erinnert lautmalerisch eher an einen bellenden Hund: WUFF nennt sich das dahinter stehende Trio, ausgeschrieben „Wir – unabhängig für Fellbach“. WUFF tritt zumindest partiell in die Fußstapfen einer anderen Liste vor fünf Jahren: Schon seinerzeit ging der frühere Linke Christian Hinrichsen an den Start, und zwar mit „F2 für Fellbach“ – was ebenso kaum rein zufällig ans Fellbacher Kombibad F3 erinnerte. Die damals etwas verquer anmutende Erläuterung: Man sei „für Fellbach“, mit dabei seien zwei Fellbacherinnen und zwei Fellbacher, und man sei „frisch facettenreich“ – so laufe eben alles auf F2 hinaus.
Das Spitzenpersonal und die Ambitionen Bei FW/FD stehen die beiden bisherigen Fraktionschefs, Ulrich Lenk und Martin Oettinger, wieder vorne dran. Besonders am Herzen liegt der Gruppe, „dass auf dem Fellbacher Rathaus bürgerorientiert gearbeitet und weiterhin solide gewirtschaftet wird“. CDU-Fraktionschef Franz Plappert betont, „wir repräsentieren die bürgerliche Mitte Fellbachs“. Und: „Der gesunde Menschenverstand und sachorientierte Lösungen stehen bei uns im Fokus.“ Bei den Grünen bilden jeweils sechs Frauen und sechs Männer das zwölfköpfige Spitzenteam, darunter auch Fraktionschefin Agata Ilmurzynska. Junge Wähler ansprechen könnte für die Grünen Sara Schmalzried als Vorsitzende des Fellbacher Jugendgemeinderats.
Bei der SPD wurde Fraktionschef Andreas Möhlmann auf Platz eins gewählt, er nennt Bildung und Betreuung, Pflege, Wohnen und Umweltschutz als Kernthemen der kommenden Jahre. Die Stadtmacher rücken ihr Duo Lebherz/Schiller in den Vordergrund und setzen auf Umweltthemen. Aufsehenerregend war ihr „Klima-Hänger“ – ein grün bepflanzter Anhänger, der an diversen Stellen der Stadt auftauchte und für mehr Grün in Fellbach warb.
Noch eine Wahl Nach der Wahl ist vor der Wahl: Denn im Spätsommer, am Sonntag, 15. September, geht es um den Chefsessel im Fellbacher Rathaus. Amtsinhaberin Gabriele Zull hat ein gutes Standing in der Bevölkerung, im Gemeinderat zeigt sie sich meist souverän und erfährt grundsätzlich solide Zustimmung von den Lokalparlamentariern, von den üblichen kleinen Reibereien mal abgesehen. Namen von Gegenkandidaten, sei es aus eigenem Antrieb oder von einer Fraktion ermutigt, sind bisher nicht aufgetaucht. Somit dürfte alles auf weitere acht Jahre mit Zull als Oberbürgermeisterin hinauslaufen.
Fellbach
Einwohnerzahl
46 675 (Stichtag 1. Januar 2024)
Oberbürgermeisterin
Gabriele Zull (parteilos), seit 2016
Zurzeit im Gemeinderat
Freie Wähler/Freie Demokraten (11 Sitze), Grüne (7), CDU (6), SPD (6), Die Stadtmacher (2)