Kommunalwahl in Stuttgart Umbruch in der Bildung fordert die Stadt heraus

Der Ansturm auf Stuttgarter Gymnasien, das Ausbluten der Werkrealschulen, die Einführung der Gemeinschaftschulen und der Ausbau der Ganztagsschulen machen andere Raumkonzepte nötig. Doch auch in Sanierungen muss weiter investiert werden.
Stuttgart - Nie zuvor ist die Bildungslandschaft so in Bewegung gewesen. Und nie zuvor ergab sich daraus für die Stadt Stuttgart ein so großer Gestaltungsspielraum – aber auch ein so großer Handlungsdruck auf sie. Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung hat den Ansturm auf die Gymnasien und das Ausbluten der Werkrealschulen verstärkt. In der Landeshauptstadt wirkt sich dieser Trend besonders stark aus. Und schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Gemeinschaftsschulen mehr Zulauf haben als die verbliebenen Werkrealschulen.
Im Unterschied zum Landesdurchschnitt steigen in Stuttgart die Schülerzahlen. Hinzu kommt, dass immer mehr behinderte Kinder in Regelklassen gemeinsam mit nicht behinderten Kindern sitzen, ohne dass vom Land dafür ein Raumkonzept, ein veränderter Klassenteiler oder genug Sonderschullehrer ausgewiesen sind.
Campuslösungen sollen helfen
Allein schon die veränderten Schülerströme bei den weiterführenden Schulen setzen die Stadt als Schulträgerin unter Druck. Schließlich hat jedes Kind Anspruch darauf, in der gewählten Schulart einen Platz zu bekommen – wenn auch nicht in der Wunschschule. Deshalb muss über klug gestaltete An-, Um- oder Neubauten neu nachgedacht werden. Auch Campuslösungen werden entwickelt.
Doch die Stadt muss auch rasche Lösungen finden, wenn es beim Raum klemmt. So soll nun geprüft werden, wo Außenstellen für Gymnasien eingerichtet werden können und sollen. Und die Abstimmung mit den Füßen wird ergeben, wo weitere Werkrealschulen geschlossen werden müssen.
Noch unklar ist derzeit, wie sich der Ausbau der Gemeinschaftsschulen im Stadtgebiet weiterentwickeln wird: Den Antrag dafür stellt zwar die Stadt, aber wollen müssen die Schulen schon selber. Ebenfalls unklar ist, wie viele Schüler in den Realschulen und Gymnasien an der von ihnen gewählten Schulart scheitern werden. Beides muss die Stadt im Auge behalten, um für die Schüler eine angemessene Infrastruktur bereitstellen zu können.
Beim Personalschlüssel klotzt die Stadt
Hinzu kommt, dass der Gemeinderat beschlossen hat, die bisher individuelle Schulkindbetreuung von den Horten in die Grundschulen zu verlagern und alle Grundschulen, die das wollen, in Ganztagsschulen umzuwandeln. Das erfordert den Bau von Mensen und andere Umgestaltungen. Und man braucht ein vernünftiges pädagogisches Konzept. Stuttgart bezieht dabei ausdrücklich auch Sportvereine ein. Mit dem vom Rat beschlossenen Personalschlüssel liegt die Stadt dabei deutlich über dem, was das Land vorschreibt. „Diese Qualität wollen wir und bezahlen wir – die Kinder werden bei uns im Tandem betreut“, sagt Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann. Heiß diskutiert worden ist jedoch, wie flexibel die Betreuung an der Ganztagsschule sein soll. Der Rat beschloss, dass künftig jede Grundschule selbst entscheiden darf, ob ihr verpflichtender Ganztag an je vier Tagen bis 15 oder bis 16 Uhr dauern soll. Alternativ können Eltern auch die Halbtagsschule buchen, auf Wunsch mit kostenpflichtiger Betreuung bis 14 Uhr.
Doch auch beim Thema Schulsozialarbeit ist die Stadt weiter gefragt, gerade auch bei den weiterführenden Schulen – allgemeinbildenden wie beruflichen. Für letztere steht zudem noch ein Schulentwicklungsplan aus, vergleichbar dem für allgemeinbildende Schulen. Damit ist gemeint, die inhaltliche Entwicklung der Schulprofile und ihrer Nachfrage mit dem Sanierungsbedarf der Gebäude abzugleichen und im Optimalfall daraus innovative Campuslösungen zu stricken.
Gesamtelternbeirat pocht auf Sanierungen
Apropos Sanierung: noch immer ist die Stadt dabei, die Prioritätenliste abzuarbeiten und ihre Schulgebäude instandzusetzen, sie gemäß Brandschutzbestimmungen und Sicherheitstechnik nachzurüsten. Das gehört zu den zentralen Posten im Doppelhaushalt 2014/15: Insgesamt 525 Millionen Euro hat der Rat für Bildung und Schule eingestellt. Aber es fehlen weiterhin naturwissenschaftliche Fachräume. Und von einer zeitgemäßen medientechnischen Ausstattung können ebenfalls viele Schüler und Lehrer nur träumen.
Ginge es nach dem Gesamtelternbeirat (GEB), dann hätten die Sanierung der Schulen, vor allem der Toiletten, der Ausbau der Ganztagsschulen und ihrer Infrastruktur samt Mittagessen für alle Kinder – auch an weiterführenden Schulen – Vorrang. Außerdem wünscht sich das Gremium Schulsozialarbeit an allen Schulen, eine kostenfreie Nutzung des Nahverkehrs bei Schulveranstaltungen und einen höheren Etat für Lernmittel. Bei Um- und Neubauten müssten auch die Bedürfnisse von Kindern mit Handicap bedacht werden.
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