In Deutschland hat sich die Fläche mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten binnen Jahresfrist verdoppelt. In Württemberg liegt der Zuwachs nur bei einem Drittel.

Eigentlich könnten die sogenannten Piwi-Weine bereits im übernächsten Jahr den 125. Geburtstag feiern. Denn die erste der pilzwiderstandsfähigen Weinsorten ist 1900 in Colmar gezüchtet worden. Das berichtete Wengerter Andreas Stutz, Vorstand bei Piwi Deutschland beim ersten Regionaltreffen der Württembergischen Piwi- Winzer in Weinstadt. Die erste Generation bestand damals aus Direktkreuzungen amerikanischer, beziehungsweise asiatischer Wildreben und europäischer Keltertrauben. Züchtungsziel, so Stutz, war es nicht nur, die Maßnahmen zur Mehltaubekämpfung zu reduzieren, sondern damals auch der Schutz vor der den gesamten europäischen Weinbau bedrohenden Reblaus.

 

Piwi-Sorten als Gewinner des Weinjahrs 2023

Das Jahr 2023 bewerten die regionalen Piwi-Winzer nun als absoluten Erfolg für die pilzwiderständigen Sorten. Während der regenreiche Sommer in Verbindung mit weiteren Wetterextremen bis in den Herbst die Weinbauern in ganz Deutschland vor massive Probleme gestellt habe, so die einhelligen Berichte der acht Piwi-Pioniere aus Württemberg, seien sämtliche Piwi-Sorten vergleichsweise unbehelligt und ohne massiven Pflanzenschutzaufwand durch das herausfordernde Weinjahr 2023 gekommen, in dem einige der herkömmlichen Sorten im Wengert hängen blieben und heruntergeschnitten wurden. „Es war ein schweres Jahr“, sagte Stutz in der Debatte im Weinstädter Stadtwengerthäusle, „aber die Gewinner waren ganz klar die Piwi-Sorten.“

Piwi International sei inzwischen längst die größte Winzervereinigung der Welt, berichtete Andrea Gemmrich vom gleichnamigen Weingut in Beilstein, die ebenfalls im Vorstand von Piwi Deutschland mit dabei ist. Man verstehe sich nicht als rein betriebswirtschaftlich orientierte Vermarktungsgemeinschaft, betonte sie, sondern nach wie vor als Netzwerk derer, die im gemeinschaftlichen Sinn an der Zukunft des Weinbaus interessiert seien. Als Austauschplattform: für gegenseitige Tipps und gemeinsamen Fortschritt in Sachen zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Weine aus möglichst nachhaltigem Weinbau.

Absoluten Schutz gibt es im Weinberg nicht

Ein wichtiger Punkt sind da natürlich die in Diskussion stehenden Neuregelungen im Pflanzenschutz auf europäischer Ebene. Gerade da habe man sich unter Piwi-Freunden in den vergangenen Jahren auch mit dem lange als eigentlich zu sperrig empfundenen Namen „Piwi“ abgefunden. „Wir kommen eigentlich nicht mehr dran vorbei“, sagte auch Werner Kuhnle aus Strümpfelbach. Der Name hat sich als Marke weitgehend etabliert, und er drückt eben auch aus, was ein Problem beim Weinbau ist. Absoluten Schutz gegen Krankheiten wie Mehltau oder Schädlinge wie die Kirschessigfliege gibt es im Weinberg letztlich nicht. Piwi, die „Pilzwiderständigen“, stünden, so sagen die regionalen Piwi-Aktivisten, für den Versuch, mit möglichst wenig Einsatz potenziell schädlicher Mittel im Pflanzenschutz klarzukommen. „Ganz ohne geht’s net“ sagt dazu Andreas Stutz, „aber es geht mit enorm viel weniger.“ Das aktuelle Beispiel hierzu liefert im Wengerthaus der jüngst neu in Weinstadt als Stadtwengerter verpflichtete Schnaiter Piwi-Pionier Achim Stilz: Just ein paar Meter entfernt habe er zwei Wengert mit Piwi-Reben im komplizierten Jahr 2023 komplett ohne Pflanzenschutzmaßnahmen mit qualitativ gutem Erfolg durchbekommen. Und selbst, wenn statt der üblichen zwei Spritzfahrten bei hohem Pilzdruck auch mal fünf notwendig würden, sagte Stutz, dann sei dies immer noch maximal die Hälfte dessen, was bei herkömmlichen Sorten in normalen Jahren anfällt.

Bundesweit ist der Anbau von Piwi-Reben laut Statistik vom Jahr 2021 auf 2022 von 2800 Hektar an Rebfläche auf deren 3933 angestiegen. Dabei hat sich der Anbau von weißen Piwi-Sorten mehr als verdoppelt. In Württemberg stieg der Anbau von Piwis im gleichen Zeitraum lediglich um 28,5 Prozent auf knapp 200 Hektar im Jahr 2022. Allerdings ist der Anstieg bei den roten Sorten rein prozentual mit 5,4 Prozent doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Gewinner bei den weißen Sorten ist der Sauvitage. Er verzeichnete übers Jahr einen Zuwachs von 54 Prozent und wird Württemberg weit heute auf mehr als 25 Hektar Fläche angebaut.

Das Hauptproblem beim Zuwachs, sagte wiederum Christian Seybold aus Lauffen, sei hierzulande und international aber nicht unbedingt die Bereitschaft, die Piwi-Sorten anzupflanzen, sondern deren Verfügbarkeit bei den Rebveredlern: „Da wird jedes Auge zusammengekratzt, aus dem man noch eine Rebe machen kann.“