Auf der Sicherheitskonferenz wird deutlich: Deutschland soll führen, aber nicht dominieren - und das nicht nur in der Eurokrise.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

München - Es sind nur eine Handvoll Demonstranten, die sich mit einigen Plakaten und der Forderung nach "Alternativen zum Krieg" in die klirrende Münchner Kälte gestellt haben. Auf der anderen Seite der Absperrgitter kann Wolfgang Ischinger, der Leiter der Sicherheitskonferenz, aber schon zu Beginn des Treffens Rekorde vermelden. Nicht nur, dass mit siebzig Länderdelegationen und mehr als vierzig Außen- und Verteidigungsministern mehr Besucher gekommen sind als im Vorjahr.

 

Mit Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Leon Panetta nehmen gleich zwei Vertreter der US-Regierung an der Konferenz teil. In den Augen des früheren deutschen Botschafters in Washington ist dies eine nie und nirgendwo zuvor da gewesene Auszeichnung.

Zur 48. Veranstaltung in dieser Reihe sind Sicherheitspolitiker, Generale und Regierungsvertreter wie immer gekommen, um "viel zu diskutieren und nichts zu entscheiden", wie der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zum Auftakt erläutert. Dennoch hat schon die erste Diskussion über Deutschlands Rolle in Europa und der Welt das Zeug, der Tagung eine besondere Note zu verleihen. Und de Maizière hat recht: Noch vor Kurzem wäre die Frage nach der militärischen Rolle Deutschlands ein Tabubruch gewesen.

De Maizière will "die europäische Stimme der Nato stärken"

Lange sind nach seiner Auffassung indessen allerdings die Zeiten vorbei, dass die Deutschen das Bündnis mehrheitlich als Gelegenheit verstanden hätten, "zuvörderst von der Sicherheitsgarantie unserer Partner viel zu profitieren und wenig dazu beizusteuern". Stattdessen sei seit der Wiedervereinigung Realität geworden, dass "unsere Partner uns als gleichberechtigten und gleichverpflichteten Partner betrachten".

Im Blick auf die Auslandseinsätze in Afghanistan und die Piratenbekämpfung am Horn von Afrika betonte de Maizière, dass "wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen" müssen. Allerdings, so fügte er hinzu, änderten sich die Mentalitäten langsamer als die Lage. In seinen Augen "nimmt die Bundesrepublik mehr internationale Verantwortung wahr, als wir unseren Bürgern vermitteln können."

De Maizière ließ keinen Zweifel daran, dass Europa eine wachsende strategische Bedeutung in der weltweiten Sicherheitsarchitektur schultern muss, zumal nach dem geplanten Abzug von US-Truppen aus Europa. Dazu will er nicht auf neue Strukturen setzen, sondern "die europäische Stimme in der Nato stärken". Europas Armeen müssten besser werden, mahnte er. "Wir müssen mehr können, und wir müssen mehr gemeinsam können." Die Bundeswehrreform wertete er als Beitrag dazu.

"Deutschland muss bei den Reformen führen - aber nicht dominieren"

Die anschließende Debatte zeigte allerdings überdeutlich, dass die sicherheitspolitische Debatte im Lichte von Eurokrise und Eurorettung geführt wird. Der britische Publizist Thimothy Garton Ash forderte vehement eine Führungsrolle der Bundesrepublik ein. Ökonomisch habe "die Währungsunion Deutschland auf den Fahrersitz befördert, während Frankreich auf der Beifahrerseite gelandet ist". Er klage nicht über zu viel deutsche Führung, sondern eher über das Gegenteil.

Er wünsche sich, dass die öffentliche Meinung da ehrgeiziger wäre. In der Eurokrise sieht Ash sogar eine zweite Chance für Deutschland, ein Jahrhundert zu prägen. "Ich wünsche Deutschland führende Politiker, die die Vision und die Kühnheit besitzen, diese Chance zu ergreifen", setzte er hinzu.

Allerdings bleibt es, wie Polens Außenminister Radoslaw Sikorski deutlich machte, ein schmaler Grat, auf dem die Deutschen dabei wandeln müssen. "Deutschland muss bei den Reformen führen - aber nicht dominieren", forderte er. Sikorski gab Altkanzler Helmut Kohl mit seiner These recht, Deutschland sei zu groß, um Erster unter Gleichen zu sein, aber zu klein, um zu dominieren. "Deutschland ist nicht der neue Hegemon", sagte Sikorski und setzte hinzu, "und das sollte es auch nicht sein wollen."