Management und Arbeitnehmer des Stuttgarter Autobauers sind weiter uneins über die geplanten strukturellen Änderungen. Unterdessen sorgt sich der Betriebsrat um die Jobs in den deutschen Werken.

Genf - Mitte Januar malte Dieter Zetsche die Zukunft noch in rosigen Farben. „2013 dürfte ein sehr glückliches Jahr für die Mercedes-Familie werden“, sagte der Daimler-Vorstandschef bei der Premierenfeier im Ballsaal eines Nobelhotels in Detroit voraus, bevor ein roter und ein silberner Mercedes-Benz CLA durch Disconebel und begleitet von Popmusik auf die Bühne rollten.

 

Zwei Monate später ist die Mercedes-Familie alles andere als glücklich. Der Haussegen hängt schief, nachdem die Arbeitnehmervertreter im Daimler-Aufsichtsrat zur Revolte bliesen und in der vergangenen Woche dafür sorgten, dass Zetsches Vertrag nicht um fünf, sondern nur um drei Jahre verlängert wurde. Ursprünglich hatten sie sogar damit gedroht, eine Verlängerung ganz zu blockieren. Zudem erzwangen sie ein Revirement im Vorstand. Wolfgang Bernhard, der Buhmann der Betriebsräte, muss seinen Job als Produktions- und Einkaufschef von Mercedes-Benz abgeben und stattdessen die Führung der Lkw-Sparte übernehmen. Truck-Chef Andreas Renschler übernimmt Bernhards Job. Am liebsten hätten die Arbeitnehmervertreter Bernhard gleich ganz aus dem Unternehmen gekegelt. Sie machen sich um die Zukunft der Arbeitsplätze in den heimischen Fabriken Sorgen.

Gespräche dürften nicht einfach werden

Auf dem Genfer Autosalon tritt Zetsche nun erstmals nach dem Warnschuss der Betriebsräte wieder in der Öffentlichkeit auf. Er habe in und nach der Aufsichtsratssitzung mit Betriebsratschef Erich Klemm gesprochen, berichtet Zetsche am Rande der Premiere der getunten AMG-Version der neuen A-Klasse. Der Daimler-Chef nimmt die Sache „professionell“, wie er sagt und meint, nun gehe es wieder zurück zur Tagesordnung.

Auch in einer Gesprächsrunde mit Journalisten versucht Zetsche den Eindruck von „business as usual“ zu vermitteln und den breiten Unmut bei den Arbeitnehmervertretern herunterzuspielen, obwohl Daimler-Aufsichtsratschef Manfred Bischoff dem Vorstand in einem Interview dazu geraten hatte, „die Minderheit, die anderer Meinung ist, zu überzeugen.“ Der Vorstand, so Bischoff, müsse mehr dafür werben, dass die eingeschlagene Strategie richtig sei und langfristig Arbeitsplätze sichere. Zetsche, konfrontiert mit dieser Aussage, verweist auf eine im vergangenen Jahr unter den 270 000 Mitarbeitern durchgeführte Umfrage, in der die Führung und die Strategie des Unternehmens so gut bewertet worden seien wie noch nie. „Die Vorgänge der letzten Woche“ – so nennt Zetsche die Aufsichtsratssitzung und deren Folgen – führten natürlich zu Irritationen und Fragen unter den Mitarbeitern, „die wir jetzt „adressieren und kanalisieren müssen“, wie es in der Managersprache des Daimler-Chefs heißt.

Mit dem Betriebsrat, so Zetsche, müsse man auch Themen behandeln, „bei denen wir strukturelle Nachteile gegenüber dem Wettbewerb sehen, die überwunden werden müssten“. Jetzt werde verstärkt nach Wegen gesucht, „wie wir gemeinsame Lösungen finden können“. Einfach dürften diese Gespräche nicht werden. Denn Betriebsratschef Klemm, der eigentlich kein Scharfmacher ist und auch nicht für ein martialisches Vokabular bekannt ist, hatte schon im vergangenen November im „Brennpunkt“, dem Gewerkschaftsmagazin für die Sindelfinger Mitarbeiter, gewarnt: „Es muss dem Vorstand klar sein, dass strukturelle Veränderungen nicht im Krieg gegen die Beschäftigten realisiert werden können.“

Daimler will den Absatz bis 2020 mächtig ausweiten

Diese geplanten strukturellen Veränderungen bilden die zweite Stufe des im vergangenen Jahr gestarteten Spar- und Effizienzprogramms „Fit for Leadership“. Eines der Themen, über die gesprochen werden müsse, sagt Zetsche, sei die Wertschöpfungstiefe. Eine geringere Wertschöpfung bedeutet weniger Arbeit, und die Betriebsräte befürchten, dass auf Dauer zu wenig Beschäftigung für die Mitarbeiter in den deutschen Fabriken übrig bleiben könnte. Daimler will zwar den Absatz bis 2020 mächtig ausweiten, aber der bisherige Produktionschef Bernhard hatte bereits angekündigt, dass die Fertigungszeit pro Auto bis zur Mitte des Jahrzehnts auf 30 Stunden verringert werden soll. Im Jahr 2008 waren es noch 43 Stunden.

Zugleich wird verstärkt dort produziert, wo die Autos auch verkauft werden – und zu den wichtigsten Wachstumsmärkten zählen vor allem China und Nordamerika. Bernhard hatte im vergangenen Jahr bei der Eröffnung des neuen Werks im ungarischen Kecskemet aufgezeigt, wohin die Reise gehen soll. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll mehr als die Hälfte der Fertigungskapazität von Mercedes-Benz außerhalb Europas installiert sein. Im Jahr 2010 waren es erst zehn Prozent. Darüber hinaus soll auch die Fertigung von Komponenten wie etwa Motoren, die bisher praktisch ausschließlich im Inland stattfindet, massiv im Ausland ausgebaut werden. Bis 2020, so Bernhard im vergangenen März in Keczkemet, soll mindestens 40 Prozent der Antriebstechnik in ausländischen Fabriken produziert werden.

Daimler beharrt auf altem Kältemittel

Der Autobauer Daimler will im Streit mit den Behörden um ein klimaschädliches Kältemittel in seinen Fahrzeugen nicht nachgeben. Daimler setze weiter auf das Kältemittel 134a, „das aus unserer Sicht einzige verfügbare und sichere Kältemittel“, sagte Forschungs- und Entwicklungsvorstand Thomas Weber der Zeitschrift „Autogazette“. Er befürchte nicht, dass das Kraftfahrtbundesamt die Zulassung mehrerer Fahrzeugmodelle widerrufe, in denen – entgegen jüngsten EU-Regeln und der Fahrzeugzulassung – weiter die als Klimakiller geltende Chemikalie 134a eingefüllt wird. „Die Sicherheit unserer Kunden hat höchste Priorität“, sagte der Manager. Die Branchenverbände Acea und VDA wollen am Mittwoch auf dem Genfer Autosalon das weitere Vorgehen beraten.

Bei Crashtests hatte Daimler festgestellt, dass sich das klimafreundlichere neue Kältemittel 1234yf bei Leckagen entzünden kann. Anders als Daimler haben Hersteller wie VW, Opel und BMW neue Fahrzeugmodelle noch nicht mit dem neuen Kältemittel, sondern mit dem alten Mittel zertifizieren lassen. Daher besteht für sie kein Handlungsdruck.