Die politische Lage in Leonberg ist so dramatisch wie seit Jahren nicht, kommentiert LKZ-Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.

Betrachtet man sich die aktuelle Situation in der Leonberger Kommunalpolitik, so fühlt man sich an die klassische griechische Tragödie erinnert: Das Unheil nimmt unaufhaltsam seinen Lauf. Viel anders sind die Geschehnisse der vergangenen zwei Wochen nicht zu beschreiben.

 

Angefangen mit der Anzeige der Ersten Bürgermeisterin gegen ihre Vorgesetzten, den Oberbürgermeister. Die erscheint in großen Lettern in der Bild-Zeitung. Josefa Schmid wirft Martin Georg Cohn vor, er hätte ein Strafmandat wegen eines nicht unbeträchtlichen Tempoverstoßes verhindern wollen. Der Angegriffene bestreitet dies.

Schlechte Führungskultur

Als wäre dies alles nicht genug, machen Spekulationen über eine schlechte Führungskultur im Rathaus die Runde. Im Gemeinderat mehren sich die Sorgen, dass die Stadt Leonberg als Arbeitgeberin zusehends verbrannt wird. Dass die Personaldecke jetzt schon dünn ist, zu dünn, ist unstrittig.

Und mitten in dieser unseligen Situation wird bekannt, dass der Oberbürgermeister unter die Schriftsteller gegangen ist. Nicht mit leichter Prosa: „Vetternwirtschaft“ nennt Cohn sein Buch. Selbige glaubt er vor allem in seiner eigenen Stadt ausgemacht zu haben. Dass es auf Gegenwind stößt, wenn er Stadträten unterstellt, sich aus Eigennutz zu engagieren oder einige des Narzissmus, andere wiederum der Kungelei und der Stammtischpolitik bezichtigt, müsste auch dem OB klar gewesen sein.

Doch die jetzige Situation ist viel mehr als Gegenwind. Es ist, um im Bild zu bleiben, ein schwerer Sturm, wenn nicht gar ein Orkan. Denn nicht nur das Tischtuch zwischen Martin Georg Cohn und Josefa Schmid ist zerschnitten. Die parteiübergreifenden Reaktionen auf des Oberbürgermeisters literarische Betrachtungen legen nahe, dass auch das ohnehin nicht zum Besten bestellte Verhältnis zwischen Rat und Verwaltungsspitze nun weiter beschädigt ist.

Noch sind alle professionell genug, das haben die weitgehend normal verlaufenen Sitzungen der vergangenen Tage gezeigt, die Spannungen zu überspielen. Einige Ratsmitglieder wollen dem OB wohl zeigen, dass sein Buch für sie nicht wichtig ist. Das kann man ohne Weiteres so sehen. Tatsache bleibt allerdings, dass Cohns wenig schmeichelhafte Beobachtungen just in einer Zeit öffentlich geworden sind, in der die Lage so angespannt ist, wie schon seit Jahren nicht mehr.

Warum macht er das?

Doch selbst ohne den verheerenden Konflikt Cohn-Schmid hätte dem obersten Chef im Rathaus klar sein müssen, dass sein Buch ein Affront gegen die politische Klasse in Leonberg ist. Umso mehr stellt sich die Frage, die nicht nur den FDP-Fraktionsvorsitzenden Dieter Maurmaier umtreibt: Warum macht er das?