Die Ausfuhren der baden-württembergischen Unternehmen – vor allem in die USA – steigen 2015 insgesamt um zehn Prozent. Die Wirtschaft im Südwesten wächst um zwei Prozent. Davon profitiert auch der Arbeitsmarkt, aber jeder dritte Arbeitslose ist seit mindestens einem Jahr auf Jobsuche.

Stuttgart - Wer sich mit Statistik beschäftigt, neigt üblicherweise nicht zu euphorischen Worten. Carmina Brenner, die Präsidentin des Statistischen Landesamtes, hat da jetzt bei der Erläuterung der wirtschaftlichen Lage zum Jahreswechsel eine kleine Ausnahme gemacht. So sprach sie mit Blick auf das Wachstum in der ersten Jahreshälfte davon, dass die Wirtschaft des Landes in „prächtiger Verfassung“ gewesen sei. Und die sich abzeichnende Summe der Exporte nannte sie gar ein „Traumergebnis“. Ganz sachlich-nüchtern ist hingegen die Überschrift der Pressemeldung, mit der die Stuttgarter Statistiker ihren Befund verbreiten: „Südwestwirtschaft zeigt sich stabil.“

 

Im Gesamtjahr 2015 zeichnet sich nach Einschätzung des Statistikamtes eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um etwa zwei Prozent ab. Das ist mehr als im Bundesdurchschnitt erwartet wird. So rechnen zum Beispiel die Bundesregierung, der Sachverständigenrat („die fünf Weisen“), die Bundesbank sowie mehrere Forschungsinstitute mit einem Wachstum von 1,7 Prozent in Deutschland insgesamt. In den ersten sechs Monaten des Jahres ist die Wirtschaft im Südwesten sogar um 3,1 Prozent gewachsen; zur Jahresmitte hin schwächte sich die Dynamik dann aber ab. Dieser Trend hält weiter an, so dass Präsidentin Brenner für 2016 mit einem leicht abgeschwächten Wachstum von 1,5 Prozent rechnet.

Arbeitslosigkeit im Schnitt unter vier Prozent

Das tut der Freude von Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid keinen Abbruch. Er ist mit der Bilanz im laufenden Jahr sehr zufrieden. Trotz einiger Störfaktoren sei die Wirtschaft fast das gesamte Jahr über auf Hochtouren gelaufen, sagte er. Schmid geht auch 2016 von einer positiven Entwicklung aus. Der Minister: „Baden-Württemberg ist eine Konjunkturlokomotive für ganz Deutschland, kein anderes Bundesland hat sich in den letzten zwei Jahren so dynamisch entwickelt.“ Aus seiner Sicht steht der Aufschwung auf einem breiten Fundament – bestehend aus einer starken inländischen Nachfrage, der leistungsstarken Industrie und der guten Exportwirtschaft. „Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit liegt unter vier Prozent, Beschäftigung und Exporte haben auch in diesem Jahr wieder Höchstwerte erreicht. All dies trägt dazu bei, dass Baden-Württemberg sehr gut dasteht“, sagte Schmid. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Wertschöpfung ist in Baden-Württemberg höher als anderswo, was dem Land in den zurückliegenden Jahren ein überproportional hohes Wachstum gesichert hat.

Die gute Konjunktur hat auch den Arbeitsmarkt positiv beeinflusst. Von Januar bis November 2015 waren im Durchschnitt 228 000 Männer und Frauen ohne Arbeit und somit 3400 Personen weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Arbeitslosenquote sank im Durchschnitt der elf Monate auf 3,9 Prozent. Gleichwohl gibt es Verwerfungen am Arbeitsmarkt. So sind mittlerweile fast ein Drittel – genau: 31,5 Prozent – aller Arbeitslosen länger als ein Jahr ohne Arbeit, sind also langzeitarbeitslos. Dennoch ist die entsprechende Quote im Land geringer als in anderen Bundesländern.

Wachstumsmotor ist das Auslandsgeschäft der Industrie

Die Beschäftigung hat mit mehr als sechs Millionen Männern und Frauen einen neuen Höchststand erreicht. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat dabei besonders stark zugenommen und ist um 2,4 Prozent auf 4,4 Millionen Menschen im September 2015 gestiegen.

Wachstumsmotor war im zu Ende gehenden Jahr einmal mehr das Auslandsgeschäft der Industrie. In den ersten drei Quartalen nahmen die Ausfuhren um knapp zehn Prozent zu. Besonders dynamisch entwickelten sich dabei die Lieferungen in die Vereinigten Staaten, die um 26 Prozent zunahmen. Auch innerhalb Europas wurde mit einem Exportplus von 9,5 Prozent ein stattliches Wachstum verbucht. Die Exporte Baden-Württembergs gehen etwa zur Hälfte in andere europäische Länder. Der Anteil der Vereinigten Staaten beträgt 13 Prozent; es folgt China mit sieben Prozent auf dem nächsten Platz. Für das kommende Jahr sagen zum Beispiel die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds eine Abschwächung im Außenhandel voraus. Darunter dürfte der Südwesten aufgrund der Stärke seiner Exportwirtschaft mehr leiden als der Rest Deutschlands.