Die Welt blickt nach Rom, die Spannung steigt: Von Dienstag an wählen in der Sixtinischen Kapelle 115 Kardinäle einen neuen Papst. Sie hoffen, in wenigen Tagen fertig zu sein. Die Abstimmung folgt einem exakt festgelegten Zeitplan.

Rom - Ihre Zimmer im vatikanischen Gästehaus Santa Marta beziehen sie am Morgen, die Sixtinische Kapelle am Nachmittag: die 115 zur Papstwahl berechtigten Kardinäle beginnen am Dienstag mit dem Konklave. Saßen sie bei ihren zehn Generalversammlungen streng nach hierarchischer Rang- und Weiheordnung, so sind im Hotel alle gleich: die Zimmer wurden den Kardinälen per Los zugeteilt, damit sich keiner benachteiligt fühlt. Schließlich haben nicht alle Räume einen Blick auf den Petersdom.

 

Die Sixtinische Kapelle wiederum, die hat Johannes Paul II. 1996 zum festen Ort einer Papstwahl bestimmt, weil dort „alles dazu beiträgt, das Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu fördern, vor dessen Angesicht ein jeder eines Tages treten muss, um gerichtet zu werden“. Johannes Paul II. hatte in erster Linie natürlich Michelangelos „Jüngstes Gericht“ vor Augen, das von der Altarwand aus formatfüllend den Raum beherrscht. Dadurch, dass nun eigens fürs Konklave der Fußboden mit einer Bühne aus Stahl und Holz um einen guten halben Meter angehoben worden ist – man wollte den buckligen historischen Boden und diverse Stufen als Stolperfallen ausschalten –, wirkt Michelangelos endzeitlicher Figurenwirbel sogar noch näher und bedrängender.

Wahllokal und Gästehaus bleiben streng abgeschirmt

Wenn der Vatikanexperte Ambrogio Piazzoni richtig gezählt hat – was in den Wirren der Historie nicht eben einfach ist –, beginnt nun also das 75. reguläre Konklave der Kirchengeschichte, das 25. in der Sixtinischen Kapelle. Genau genommen beginnt die Prozedur heute Vormittag im Petersdom, wo sich alle Kardinäle zur gemeinsamen Messe „für den zu erwählenden Papst“ versammeln. Vor ihnen liegt die ungeheure Aufgabe, ein neues Oberhaupt für die 1,2 Milliarden Katholiken weltweit zu küren. Einen Nachfolger für Benedikt XVI., der am 11. Februar als erster Papst der Neuzeit aus Altersgründen seinen Rücktritt erklärt und im selben Monat noch sein Amt niedergelegt hat.Gegen 16.30 Uhr ziehen die Kardinäle in feierlicher Prozession innerhalb des Apostolischen Palasts zur Sixtinischen Kapelle. Dort schwören sie noch einmal strengste Geheimhaltung, dort hören sie aus dem Mund eines Altkardinals eine – laut Johannes Paul II. – „wohlüberlegte Betrachtung über die Lage der Kirche und die erleuchtete Wahl des neuen Papstes“. Anschließend ruft der vatikanische Zeremonienmeister sein berühmtes „Extra omnes!“, „Alle raus!“; das hohe, schwere Holzportal der Sixtina schließt sich sogar für die Fernsehkameras, und die Kardinäle bleiben für den ersten Wahlgang unter sich.

Überhaupt bleiben Wahllokal und Gästehaus für die Dauer des Konklaves streng abgeschirmt: nicht nur, dass die Vatikanpolizei alle Leute abhält, die mit den Kardinälen ins Gespräch kommen wollen; vor dem Beginn der Abstimmung wird die Kapelle zudem auf Wanzen untersucht, mit Störsendern sollen Abhöraktionen verhindert werden. Das Innere der Kapelle wird sogar in einen Faraday’schen Käfig verwandelt, um den Raum zu isolieren und Lauschangriffe unmöglich zu machen.

Die Wahl ist geheim

Auch die Nutzung von Medien wie Zeitungen, Fernsehen oder Radio ist den Kardinälen untersagt, bis der neue Papst dem Volk offiziell vorgestellt ist – und jener päpstliche Zeremoniar, der 2005 den Namen Ratzingers ein paar Minuten vorher per SMS „exklusiv“ an einen deutschen Nachrichtensender verraten hat, der war seinen Job ziemlich schnell los. Von Mittwoch an gibt es also jeden Vormittag und jeden Nachmittag jeweils zwei Wahlgänge. Bleiben sie erfolglos, dann steigt am Ende jeder Sitzung schwarzer Rauch aus dem Giebel der Sixtinischen Kapelle auf – täglich gegen 12 und gegen 19 Uhr. Weißer Rauch hingegen, als Zeichen einer geglückten und vom Beglückten angenommenen Wahl, wird ohne Verzögerung in die Luft geblasen, gegen 11 und 18 Uhr. Die Wahl erfolgt geheim. Jeder Kardinal schreibt – nach der Anordnung Johannes Pauls II. – „in verstellter, aber deutlicher Schrift“ den Namen dessen, „von dem er glaubt, dass er nach Gottes Willen gewählt werden soll“, auf einen Zettel. Dieser trägt die lateinische Aufschrift „Zum obersten Priester wähle ich . . .“ („Eligo in Summum Ponteficem“), wird zweimal gefaltet und in die Urne aus Bronze und Silber gelegt, die sich auf dem Altar der Sixtina befindet, exakt zu Füßen des „Jüngsten Gerichts“. Gewählt ist, wer mindestens zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinigt. Bei 115 Wahlmännern sind das 77. Sollten diese bis Freitagabend nicht zusammenkommen, ist Samstag erst einmal Pause.

Wie lange das Konklave dauern wird, weiß niemand

Die Stimmzettel werden nach jeder Wahlsitzung in einer Art Kanonenofen noch in der Sixtinischen Kapelle verbrannt. Damit die Farbe des Rauchs von außen deutlich erkennbar wird – 2005 war genau das nicht der Fall – erzeugen chemische Substanzen in einem zweiten Ofen echt düsteres Schwarz oder echt strahlendes Weiß.

Wie lange dieses Konklave dauern wird, weiß niemand. Weil die Kardinäle aber möglichst schnell nach Hause wollen, hoffen sie auf ein eher kurzes Verfahren. Anhaltspunkte könnte die Wahl Karol Wojtylas bieten, der als Pole und nur 58-jähriger Außenseiter 1978 acht Wahlgänge brauchte, um zu Johannes Paul II. werden; Benedikt XVI. hingegen stand 2005 innerhalb von 24 Stunden, nach dem vierten Wahlgang, fest. Aber Joseph Ratzinger galt ja auch als „geborener“ Nachfolger Wojtylas. Vergleichbare Spitzenkandidaten sind diesmal nicht in Sicht. Zwar haben die unten vorgestellten Personen vieles für sich – sie sind aber nur eine Auswahl aus einer längeren Reihe von „papabili“, von „papstfähigen“ Kardinälen. Ohne Gewähr, wie die Lottozahlen.