Dirk Notheis zieht sich auf unbestimmte Zeit von der Spitze der Investmentbank Morgan Stanley zurück. Seine Rückkehr ist angesichts der Mails zum EnBW-Deal fraglich. Notheis stand massiv unter Druck, seit seine Rolle beim EnBW-Deal bekannt geworden ist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Kann er bleiben oder muss er gehen? Gleich zu Wochenbeginn beendete Dirk Notheis, der Deutschlandchef der US-Investmentbank Morgan Stanley, das seit Tagen andauernde Rätselraten um seine Zukunft – allerdings nur teilweise. Der Vorstandsvorsitzende habe den Aufsichtsrat informiert, dass er eine Auszeit nehme, sagte eine Banksprecherin. Seine Aufgabe als Landeschef übernehme derweil der Aufsichtsratsvorsitzende Lutz Raettig, die operativen Aufgaben teilten sich die übrigen Vorstände. Wie lange sich Notheis aus dem Geschäft zurückzieht, ob er überhaupt in die alte Funktion zurückkehrt – das alles blieb offen.

 

Massiv unter Druck stand der 44-Jährige Starbanker, seit immer mehr Details über seine Rolle beim EnBW-Deal von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (beide CDU) bekannt geworden waren. Interne Mails belegten, dass er nicht nur der Finanzberater von Mappus war, sondern sich wie der Regisseur des Milliardengeschäfts gerierte. Bis weit ins Politische hinein machte er Vorgaben, die Mappus zum Gutteil befolgte. Den Eindruck, er sei eine „Marionette“ seines Freundes aus der Jungen Union gewesen, wies der Ex-Regierungschef jedoch zurück.

Die Bank will offenbar reinen Tisch machen

Schon das Bekanntwerden der Mails, in denen er sich flapsig über Bundeskanzlerin Angela Merkel („Mutti“) äußerte und den EnBW-Aktienpreis als „mehr als üppig“ bezeichnete, hatte Zweifel an Notheis’ Zukunft bei Morgan Stanley genährt. Warum hatte die Bank die Mails dem Untersuchungsausschuss des Landtags überhaupt allesamt zur Verfügung gestellt? Das Risiko, dass sie je ans Licht kommen würden, war schließlich gering. Die Investmentbank rücke offenbar von ihrem Deutschland-Statthalter ab und wolle in der leidigen Affäre endlich reinen Tisch machen, wurde die überraschende Transparenz interpretiert.

Notheis selbst soll schon länger nicht mehr Herr des Handelns gewesen sein; bei seinem Auftritt Ende März vor dem EnBW-Ausschuss wirkte er bleich und nervös. Die gesamte Aufarbeitung des EnBW-Deals wurde zuletzt von der Europazentrale in London aus gesteuert. Dort hatte man das Milliardengeschäft, das heute zu einem gravierenden Imageproblem für Morgan Stanley geworden ist, einst ebenfalls bejubelt. Der Europachef Michele Colocci sei besonders im Blick auf den Platz in der Rangliste der Investmentbanken darüber erfreut, schrieb Notheis einst an seinen französischen Kollegen René Proglio, den Zwillingsbruder des EdF-Chefs. Colocci habe auch angeregt zu erreichen, dass die Franzosen keine eigene Investmentbank einschalteten; dies wäre „fantastisch“.

Altbanker schilt Notheis „ungehobelt und schamlos“

Neben den weit gehenden Regieanweisungen an Mappus hatte vor allem die Tonlage in Notheis’ Mails Befremden ausgelöst. „Dreist, ungehobelt, schamlos“ nannte sie der Altbanker Ludwig Poullain in einem Zeitungsbeitrag. Die Grünen im Landtag fordern inzwischen eine Entschuldigung des Bankers, was auch andere für angebracht hielten. Als „ethischen Versager“ rügte ihn ein auf Wirtschaftsethik spezialisierter Personalberater – ein Vorwurf, der Notheis besonders schwer treffen dürfte. Er hatte bei seinen CDU-Parteifreunden lange den Eindruck erweckt, ethische Standards seien ihm besonders wichtig. Zumindest zuletzt sei davon nichts mehr erkennbar gewesen, urteilte ein Unionsgrande gleich nach dem EnBW-Deal: Notheis sei zu einem „ganz gewöhnlichen Investmentbanker“ geworden, dem es vor allem ums Geld gehe, registrierte er enttäuscht.

Mit seinem Aufstieg in der Finanzbranche hatte sich der Ettlinger Notheis immer mehr aus der Politik zurückgezogen; Beisitzer im CDU-Landesvorstand war er indes bis 2011 geblieben. Nach einigen Jahren bei der damaligen SGZ-Bank, wo er mit 27 per Sondergenehmigung Direktor wurde, hatte er 1999 zu Morgan Stanley gewechselt und war dort 2009 an die Deutschlandspitze gerückt. Der Aufsichtsratsvorsitzende Lutz Raettig, der nun zumindest vorübergehend an seine Stelle tritt, galt als Freund und Förderer von ihm.

Bestens in der Politik vernetzt

Wie Notheis ist Raettig bestens in der Politik vernetzt, seit einigen Jahren sitzt der 69-Jährige für die CDU im Frankfurter Magistrat. In der Affäre um den EnBW-Deal hat er sich stets äußerst bedeckt gehalten; Anfragen der StZ an ihn beschied er stets abschlägig. Auch jetzt war von ihm keine Stellungnahme zu erhalten. Eine Zeitung berichtete, Raettig mache sich Vorwürfe, dass er Notheis nicht davon abgehalten habe, das Mandat für dessen Freund Mappus selbst zu betreuen. Es passte freilich zu dem Ruf, den Notheis bei Morgan Stanley genoss: Wie kaum ein anderer schaffe er es, aus seinem Kontaktnetzwerk Geschäfte für die Bank zu generieren, lobte ein einstiger Weggefährte.

Ob die Bank ihn nur vorläufig aus dem Schussfeld nimmt oder seine steile Karriere dort beendet ist, gilt derzeit als offen. Eine Ablösung zum jetzigen Zeitpunkt, ist zu hören, erschiene wie ein Schuldeingeständnis. Dabei beharrt Morgan Stanley nach wie vor darauf, beim EnBW-Deal alles richtig gemacht zu haben – auch bei der Preisfindung. Sollten sich die Zweifel daran erhärten, wäre eine Rückkehr vollends unvorstellbar. Einen ersten Fingerzeig gibt es schon an diesem Dienstag, wenn der Landesrechnungshof dem Land sein Gutachten zur Wertermittlung übergibt.